"Die Tür ist noch nicht zu"
Bangen um die Existenz von Karstadt in der Wilmersdorfer Straße
Galeria Karstadt Kaufhof will sechs seiner elf Beliner Filialen schließen – auch die in der Wilmersdorfer Straße. Dort erhielt die letzte Hoffnung der 250 Mitarbeiter jetzt noch einmal Nahrung. „Die Tür ist noch nicht zu“, sagte der Betriebsratvorsitzende André Erdmann nach einem Gespräch mit dem Vermieter.
Das Ehepaar Sach steht wie viele andere Menschen um kurz vor 10 Uhr vor der noch verschlossenen Tür des ältesten Kaufhauses der Stadt. Sie wollen ein Geschenk für ihre Nichte kaufen. Die beiden Schmargendorfer können sich noch gut an die Zeit erinnern, als ein Teil der Wilmersdorfer Straße zur Fußgängerzone wurde. „Das war 1960“, sagen sie. Immer schon haben sie einen Abstecher zu Karstadt gemacht, von Anfang an und bis heute einer der großen Kundenmagneten der Einkaufsmeile. Dass sie bald dauerhaft vor verschlossenen Türen stehen könnten, bedauern sie sehr. „Eine Fußgängerzone braucht so ein Kaufhaus. Das ist auch wichtig für die Gesellschaft“, sagt Barbara Sach. Richtig wundern mag sie sich aber nicht. „Ich finde, man hat den Sparzwang schon länger gemerkt. Die großen Kaufhäuser wollen zwar, dass man bei ihnen einkauft. Aber wenn man beraten werden möchte, findet man kaum Mitarbeiter.“ Ihr Mann pflichtet ihr bei: „Irgendetwas machen die falsch.“
„Wir müssen Investitionen selber tragen“
So viel falsch gemacht wurde in dieser Filiale nicht, findet André Erdmann. Der Betriebsratvorsitzende erläutert einen Grund für den schweren Stand: „Wir müssen Investitionen selber tragen.“ Als Beispiel führt er die Sprinkleranlage an, die für einen sechsstelligen Betrag auf Vordermann gebracht werden musste. „Da fällt es dann natürlich schwer, schwarze Zahlen zu schreiben.“ 250 Mitarbeiter stünden auf der Straße, würde die Zweigstelle schließen. Der Altersdurchschnitt liegt bei 55 Jahren, im Mittel sind alle seit 25 Jahren Teil der Belegschaft. „Wo gibt es das denn noch?“, fragt Erdmann. Viele der Kollegen hätten nur noch vier Jahre bis zur Rente und bislang nie etwas vom Staat gefordert. „Sie hätten es einfach verdient, aufgefangen zu werden“, sagt er, auch wenn er daran lieber noch gar nicht denken wolle.
Bürgermeister Reinhard Naumann: "Hiobsbotschaft"
Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) zeigte sich tief bewegt von der „Hiobsbotschaft“. Einem Aus des Kaufhauses maß er „fatale Folgen“ für den Kiez und die Fußgängerzone bei und seine Solidarität gilt dem Personal. Als Marschroute gab er aus: Phase 1: kämpfen. Phase 2: Belegschaft auffangen. Phase 3: Standort im Sinne der Wirtschaftsförderung und der Stadtentwicklung neu planen. „Eine verödete Innenstadt kann sich niemand leisten, auch Charlottenburg-Wilmersdorf nicht“, so Naumann.
Noch befinde man sich aber eben noch in Phase 1. Mit einem Anruf beim Vermieter Redevco in Düsseldorf, einem Vertreter der C&A-Eigentümerfamilie Brenninkmeyer, fädelte Naumann ein Gespräch zwischen Erdmann, seinem Stellvertreter Andreas Werner und dem Redevco-Direktor Lars Heese ein. Die beiden fuhren dann am 24. Juni mit einem flauen Gefühl im Magen und der Hoffnung auf eine Senkung der Miete ins Rheinland, begleitet von 500 gedrückten Daumen. „Unsere Mitarbeiter sind psychisch durch. Heute heißt es alles oder nichts“, hatte Erdmann auf dem Weg den Griff nach dem letzten Strohhalm beschrieben.
Zurück kam er dann mit einem deutlich besseren Gefühl. „Das war ein tolles Gespräch, wir konnten die emotionale Seite und die sozialen Aspekte einer Schließung darlegen und das wurde auch anerkannt. Wir haben keine Zusage auf irgendetwas erhalten, aber immerhin die Nachricht, dass die Tür zwar angelehnt, aber eben noch nicht ganz zu ist“, berichtete Erdmann.
Berliner Politiker kämpfen
um die Arbeitsplätze
Im Kampf um seine Existenz bekommen das Traditionshaus in der Wilmersdorfer Straße und die anderen von der Schließung bedrohten Standorte auch Rückenwind seitens des Senats. Wie das RBB-Inforadio berichtete, bitten der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen) in einem gemeinsamen Brief die Vermieter dringend um ein baldiges Gespräch "über mögliche Fortführungsperspektiven für den jeweiligen Standort und die Sicherung von Arbeitsplätzen". Wegen dramatischer Auswirkungen für das Personal und der negativen Folgen für die Berliner Wirtschaft. Auch das beschere ihm ein gutes Gefühl, sagt Erdmann. „Das macht Hoffnung, und die stirbt ja bekanntlich zuletzt.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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