"Einfach Schluss, aus"
Bezirksamt schließt Wochenmarkt Suarezstraße
Der kiezige Wochenmarkt an der Suarezstraße muss schließen. Nicht wegen Corona, sondern für immer. Der Markt sei nicht mehr „wirtschaftlich“, sagt das Bezirksamt. Händler und Anwohner protestieren.
Knackiger Salat, saftiges Obst und Gemüse, Eier von glücklichen Hühnern - der Wochenmarkt an der Suarezstraße 46 ist im Kiez bekannt für Frische und Qualität aus der Region. Markthändler Jury-Dietmar Iwanow aus dem brandenburgischen Fichtenwalde steht seit 25 Jahren hier, jeden Donnerstag von 9 bis 15 Uhr. Den Obst- und Gemüsestand hat er von seinem Vater übernommen und der von seinem Vater. Doch jetzt soll Schluss sein mit dem Familienbetrieb. Für immer.
Anwohner unterschreiben Protestbrief
Verständlich, dass Jury-Dietmar Iwanow sauer ist. Ausgerechnet Heiligabend bekam er die Kündigung vom Bezirksamt. „Vorher war keiner hier, um mit uns zu sprechen. Einfach Schluss, aus.“ Der Markthändler kann es immer noch nicht fassen. Doch er will kämpfen und hat mit Anwohnern bis heute 500 Protestunterschriften gesammelt. Denn hier kennt und duzt man sich.
Das Bezirksamt erklärt das Aus zum Monatsende mit „wirtschaftlichen Gründen“. Der Zuspruch für den Wochenmarkt sei im Laufe der Zeit immer weiter zurückgegangen. Auch die vor einigen Jahren veränderte Marktzeit habe diesen negativen Trend nicht umkehren können. „Natürlich ist es nie schön, wenn eine lange bestehende Einrichtung wie dieser Wochenmarkt eingestellt werden muss“, sagt Wirtschaftsstadtrat Arne Herz (CDU). „Aber es macht auf Dauer keinen Sinn, einen Wochenmarkt mit so wenigen Händlern, nämlich zwei, zu betreiben.“
Viele Falschparker - viel Arbeit
Der Stadtrat führt aber noch einen weiteren Grund an. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten müssten überproportional viele falsch parkende Autos vor Ort umgesetzt werden. „Was entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen bindet, die an anderer Stelle der Märkte sinnvoller eingesetzt werden können.“ Sprich: Weil das Bezirksamt beim Abschleppen in Vorkasse gehen muss, soll der Markt weg. Nur, dass der Parkdruck hier im Kiez sowieso hoch sei, bemerkt eine Kundin – ob mit Markt oder ohne Markt. Außerdem bekomme die Behörde das Geld fürs Umsetzen doch von den Falschparkern zurück.
Auch Iwanow kann bei solchen Argumenten nur die Schultern zucken. „Ja, es stimmt zwar, wir sind seit etwa vier Jahren nur noch zwei Händler.“ Dafür gebe es aber im Bezirk mehrere große Wochenmärkte und die könnten die kleinen Kiezmärkte doch finanziell auffangen, findet Iwanow. Früher ging der Wochenmarkt Suarez fast hoch bis zur Friedbergstraße. Obst und Gemüse, Käse, Fleisch, Lederwaren, Feinkost und Marmeladen gab es hier zu kaufen. „Doch einige der älteren Händler sind gestorben“, erklärt Iwanow den Schwund. Andere, vor allem die Jungen, hätten bald wieder aufgegeben, weil das „große Geschäft“ ausblieb.
Alternativen kommen nicht an
Alternativ schlägt das Bezirksamt den beiden Händlern die Wochenmärkte am Bundesplatz, in der Charlottenburger Straße und am Richard-Wagner-Platz vor. Doch Iwanow winkt ab. Viel zu weit weg und zu groß die Konkurrenz. „Außerdem dauert es seine Zeit, bis ich dort bei den neuen Kunden ankomme“, sagt der 51-Jährige, der sonst noch auf dem Karl-August-Platz und in der Nähe vom Ku’damm steht. Den Kunden wiederum empfiehlt das Bezirksamt für ihre Einkäufe die „nicht weit entfernten“ Märkte am Karl-August-Platz, Klausenerplatz und in der Nestorstraße.
Für Brigitte Minke ist das nicht wirklich eine Alternative. „Es ist lächerlich, wenn das Bezirksamt behauptet, wir hätten Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe“, sagt die Anwohnerin. Gerade dieser Markt sei wichtig für die Nachbarschaft, vor allem für die Älteren, die nicht weit laufen könnten. Sie selbst kaufe hier ein, seit es den Wochenmarkt gibt, also seit 25 Jahren, sagt Brigitte Minke. „Das Obst ist fantastisch, man wird gut beraten, Preis und Leistung stimmen. Außerdem kenne ich die Familie Iwanow seit vielen Jahren.“ Damit der Wochenmarkt bleibt, der im Kiez auch ein Treffpunkt unter Nachbarn ist, hat Brigitte Minke auf der Liste ebenfalls unterschrieben. Empört ist Carrie Asman: „Es ist ein Unding, dass der Markt gerade jetzt in der Corona-Pandemie schließen muss.“ Wo doch kleinere Märkte unter freiem Himmel viel sicherer seien als großes Gewimmel. „Und gerade solche Kiezmärkte sind doch so typisch für Berlin“, sagt die Anwohnerin.
Letzter Markttag: 28. Januar
Die Unterschriften gegen das Aus des Wochenmarktes sollen jetzt die Bezirksverordneten bekommen. „Vielleicht geht da noch was“, sagt Iwanow. Aber er hat wenig Hoffnung. Am 28. Januar soll bereits letzter Markttag sein.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.