Besuch bei Miss Marple
Cornelia Hüppe führt seit 16 Jahren eine Krimibuchhandlung
In der Weimarer Straße 17, nördlich der Kantstraße, betreibt Cornelia Hüppe eine Krimibuchhandlung. Dort im Kiez kennt sie jeder nur unter dem Namen ihres kleinen, aber feinen Geschäfts: Miss Marple.
„Ist wirklich so. Wenn ich über den Markt gehe, werde ich mit Miss Marple angesprochen. Ich glaube, die wenigsten kennen mich unter meinem echten Namen“, sagt sie. Cornelia Hüppe ist 54 Jahre alt und hat sich vor 16 Jahren mit der Eröffnung ihres Ladens einen langgehegten Traum erfüllt. Zwar kann man nicht unbedingt sagen, ihr wäre die Leidenschaft für Kriminalromane in die Wiege gelegt worden, denn schließlich war sie es, die ihre Mutter später dafür begeisterte und nicht umgekehrt. „Aber schon als Kind habe ich 'Die drei ???', 'TKKG' und 'Fünf Freunde' verschlungen“, erinnert sie sich.
Liebe zu Mord und Totschlag
Erst wollte sie sich sogar mit einer Kinderbuchhandlung selbstständig machen. Als gelernte Buchhändlerin und studierte Betriebswirtschaftlerin wusste sie: Nur mit der Besetzung einer Nische kann man Erfolg haben. Schlussendlich kam sie wieder durch, ihre Liebe zu Mord und Totschlag. „Das war eine gute Entscheidung. Damals kamen die skandinavischen Autoren auf, unter anderem haben die das Genre aufgepeppt“, sagt Hüppe. Tatsächlich habe der Krimi sogar ein Dasein in der Schmuddelecke gefristet. „Ich kann mich noch gut an meine Anfänge erinnern. Da kamen Kunden rein und wollten sich mehr oder weniger rechtfertigen, weil sie einen Krimi kaufen wollten.“ Cornelia Hüppe lacht.
"Ohne das Bestellgeschäft könnte ich nicht existieren"
Eine Kundin kommt in den Laden. Hüppe kennt sie beim Namen. Frau Kirchgassner möchte gerne ein Buch bestellen. Geisterstunde. Hüppe weiß sofort um was es geht. Die beiden verschwinden höchstens drei Minuten im Nebenraum. „Das war jetzt kein Krimi. Bei mir kann man alles bestellen. Ohne das Bestellgeschäft könnte ich nicht existieren“, sagt sie.
Das liegt nicht nur daran, dass sie nur ein Genre bedient, für das die Auswahl übrigens stattlich ist, oder dass der Onlinehandel den kleinen Händlern zu schaffen machen würde. „Die Menschen lesen heute einfach weniger“, sagt sie. „Früher kamen Kunden, hatten im Radio die Rezension eines neuen Buches gehört und wollten es haben. Der Wert von Büchern hat verloren, heute erscheinen den Menschen 20 Euro für ein Buch unangemessen.“
"Es ist ein intensives, aktives Lesen geworden"
Dabei haben Krimis ihrer Meinung nach enorm zugelegt, bieten mehr als nur den stumpfen Mord nebst Täterjagd à la Edgar Wallace. „Ist auch gut, aber heute nehmen einen die Autoren mit in ferne Länder, wollen etwas erzählen, bauen gesellschaftspolitische Themen ein. Es ist ein intensives, aktives Lesen geworden, bei dem etwas zu lernen ist. Neulich habe ich ein Buch gelesen, das spielte in Nordkorea. Da kommt man im Leben doch nicht hin.“
Der Krimi, so Hüppe, sei hoffähig geworden. Um das bekannter zu machen, nimmt sie in diesem Jahr wieder am Berliner Krimi-Marathon teil, ist Gastgeberin von Lesungen. „Und ich werde in Zukunft etwas für Kinder machen. Ich glaube es ist Zeit, sich um den Nachwuchs zu kümmern.“
Welches ist das beste Buch?
Die Frage nach dem besten Buch muss freilich auch Hüppe gestellt werden. „Sehr schwierig", sagt sie, "es gibt so viele.“ Dann legt sie sich fest: „Die Marseille-Trilogie von Jean-Claude Izzo. Das einzige Werk, dass ich dreimal gelesen habe und bei dem ich immer an der gleichen Stelle weinen muss.“ Ansonsten ist Hüppe allen Unterarten aufgeschlossen. „Die Klassiker von Raymond Chandler oder Agatha Christie haben mich schon geprägt. Aber ich mag wirklich alles: Splatter, Trash, den unglaublich brutalen Schreibstil von Sebastian Fitzek genauso wie den britisch-gemütlichen Landhaus-Krimi.“ Lieblingsautoren wechseln im Laufe der Zeit, derzeit favorisiert Hüppe Mechthild Baumann. „Sie schreibt simpel, aber ungeheuer eindrucksvoll. Die wahnsinnigste Schriftstellerin derzeit.“
Cornelia Hüppe ist glücklich. Klar, manchmal ist sie der Krimis überdrüssig, dann muss sie etwas anderes Lesen, um neue Werke ihres Lieblingsgenres wieder fair beurteilen zu können. Aber sie hat ihre Passion zur Profession gemacht – ein hohes Gut. Wunschlos ist sie dennoch nicht: „Finanzielle Sicherheit wäre schon etwas Feines. Auch mal länger Urlaub machen“, sagt sie. Ob sie ihr Job geprägt hat? „Das kann man wohl sagen. Meine ganzen Freunde haben irgendwie mit ihm zu tun: Es sind Kommissare, Autoren oder Friedhofsgärtner“, sagt Hüppe und lacht. Ab und an, wenn sie dunkle Ecken passiert, schaudert es sie. „Weil ich ja weiß, was alles passieren kann.“ Dass sie selbst als Agatha Christies Protagonistin Miss Marple bekannt ist, ist auch Indikator für sie, ob es Zeit ist, den Laden für immer zu schließen: "Wenn die Kunden noch nicht lange genug auf der Welt sind, um zu wissen, wer das ist."
„Wollen Sie das Wasser mit oder ohne?“, hatte sie zu Beginn des Gesprächs gefragt und angehängt: „Die Frage ist hier natürlich pikant. Ich meine Sprudel, nicht Gift...“.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.