Effizienzhaus Plus: Wohnung und Kraftwerk in einem
Charlottenburg. 136 Quadratmeter Lebensraum voller zukunftsweisender Technologie: Im Effizienzhaus Plus beginnt nach der Eröffnung Ende 2011 eine neue Phase. Jetzt dürfen Neugierige persönlich erfahren, was Gebäudetechnik in Sachen Energieausbeute hergibt.
Einschwenken unter den Carport – und ran an die Steckdose. Paul Günter Frank ist natürlich mit einem elektrisch angetriebenen Roller angerauscht. Im Namen des Verbands freier Wohnungsunternehmen will Frank als einer der ersten erleben, was ab sofort allen frei steht: der Rundgang durch einen von 35 Vorzeigebauten des Bundesumweltministeriums. Fasanenstraße 87a. Klingt nach einer Adresse für altehrwürdige Villen, ist aber in Wirklichkeit ein Grundstück am Campus Charlottenburg, wo die Hamburger Firma "Zebau" ein Pionierprojekt betreibt. Das kantig-moderne Effizienzhaus Plus produziert mehr Energie, als es verbraucht. Lag der Überschuss anfangs noch bei überschaubaren 900 Kilowattstunden pro Jahr, waren es zuletzt annähernd 6000.
Da fühlt sich auch Frank bestätigt, wenn er trotz langer Ladezeiten auf seinen Elektroroller und den ebenfalls elektrifizierten Opel Ampera schwört, wobei letzterer vom Markt verschwand. "Man hätte das Auto länger bewerben müssen", glaubt der Nutzer. Neue Technik braucht ihre Zeit.
Entsprechender Durchhaltewillen war auch beim Effizienzhaus angesagt. "Was man nicht ausprobiert, weiß man nicht", nennt Hans Dieter Hegner vom Bundesumweltministerium die Devise. Erst das richtige Zusammenspiel aus aufwendig gedämmten Wänden, Fenstern mit einer Isolierung durch Argongas, ausgefeilter Solartechnik und kluger Steuerung aller Mechanismen durch Computer führten an ein Ziel, das anfangs in weiter Ferne erschien.
Gerade die hohe Technisierung bedurfte aber bei den beiden Familien, die hier seit 2011 zur Probe wohnten, Zeit zum Eingewöhnen. "Es war angenehm und funktional", urteilt etwa Wolfgang Brenner nach seinem Auszug. "Insgesamt haben wir hier gerne gelebt." Das Wohnen im hoch technisierten Effizienzhaus habe ihn aber auch neugierig gemacht, ob man eine solche Energiebilanz nicht auch mit "Low Tech"-Maßnahmen erreichen könnte.
Und in der Tat führen viele Wege zum "Plus", wie "Zebau"-Fachmann Christian Roch genau weiß. Es gibt bei diesem Haustyp kein Modell "von der Stange" – jedes orientiert sich an den Gegebenheiten vor Ort, sagt Roch. Ein Haus, das in der Wildnis steht, muss anders aussehen als eines mitten in Charlottenburg.
Dass der Bau in der Fasanenstraße Energieüberschuss erwirtschaftet, heißt aber nicht, dass man ganzjährig ohne Strom von außen über die Runden käme. Denn zum Jahreswechsel pflegt der Himmel über Berlin mit Sonnenstrahlen zu geizen. "Im Januar könnte man ein Problem bekommen", räumt Roch ein. Doch völlig autark zu wirtschaften war auch kein primäres Ziel.
Und im Gegensatz zum futuristisch gezeichneten Äußeren überrascht das Innere eher durch eine unaufgeregte, praktische Gestaltung. Vom Kinderbett bis zur Kloschüssel gibt es kaum etwas, das sich vom typischen Bild eines Neubaus der 2010er-Jahre abheben würde. Nur, dass allein die einfache Liege schon 1600 Euro kostet, lässt aufhorchen: "Sie ist nun einmal nachhaltig produziert und fair gehandelt", lautet die Erklärung.
Bis Ende September darf Roch jedem, der durch die Tür kommt, Finessen wie das Heizen mit einer strombetriebenen Wärmepumpe erklären. Und den Technikraum aufschließen, von wo Maschinen alle Funktionen steuert. Am besten nimmt man auch einmal im Garten Platz, wo eine anmutige Buche den technischen Charme erfolgreich mildert. Sie wird auch dann noch mit den Blättern rascheln, wenn das Effizienzhaus Plus eines Tages zerlegt und verwertet wird. Denn dies zu bewerkstelligen, das ist der letzte Punkt des Versuchs. tsc
Das Effizienzhaus Plus in der Fasanenstraße 87a ist bis zum 27. September kostenlos zu besichtigen, Donnerstag bis Sonntag zwischen 12 und 18 Uhr.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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