Ein Team für 700 Asylbewerber: Jobcenter-Leiterin will möglichst viele Flüchtlinge in Arbeit bringen
Charlottenburg-Wilmersdorf. Wie erkennt man die Eignung eines jungen Syrers? Wer hat die höchsten Erfolgsaussichten? Welche Schwierigkeit gilt es beim Eingliedern von Flüchtlingen zu überwinden? Reporter Thomas Schubert suchte im Gespräch mit Jobcenter-Geschäftsführerin Dr. Dagmar Brendel nach Antworten.
Mit welcher Situation hat es das Jobcenter seit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen zu tun?
Dagmar Brendel: Im Jobcenter Charlottenburg-Wilmersdorf betreuen wir momentan rund 700 Flüchtlinge. Sie haben die gleichen Ansprüche, Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch II wie alle anderen auch. Zum weit überwiegenden Teil stammen die Flüchtlinge aus Syrien, dem Iran, Irak oder aus Afghanistan. Das hatte man prognostiziert, und es ist in der Praxis auch eingetreten.
Mit wie vielen Teams arbeiten Sie? Und wie stark ist dieses Team personell aufgestellt?
Dagmar Brendel: Wir betreuen die Flüchtlinge im Bezirk mit einem speziellen Team. So haben wir einen kurzen Weg zwischen Leistungsangelegenheiten und dem Vermittlungsgeschäft. Derzeit arbeiten wir mit 14 Kollegen. Wir sind aber darauf eingestellt, den Stamm bei wachsendem Bedarf schnell zu erweitern. Dass alle Aufgaben bei diesem Team in einer Hand liegen, hat für Flüchtlinge den Vorteil, dass sie nur eine Stelle ansteuern müssen. Auch für die Geschäftsführung heißt das: Ich muss bei diesem Thema nicht auf zehn verschiedene Teams zugehen, sondern nur auf eines. So gehen wir es an – konzentriert und sensibel.
Auch an den neuen LaGeSo-Sitz in der Bundesallee hat das Jobcenter Vertreter entsandt. Wie funktioniert ihre Arbeit in dieser neuen Anlaufstelle?
Dagmar Brendel: Wir sind dort mit zwei Mitarbeitern vertreten, die gut Arabisch und Englisch sprechen. Gleich nachdem der Aufenthaltsstatus festgestellt ist und klar wird, dass es sich bei den Flüchtlingen um Jobcenter-Kunden handelt, bekommen sie von den Kollegen Willkommensmappen. Und dort wird direkt ein Termin beim zuständigen Jobcenter eingebucht. Die Mappe enthält alle wichtigen Informationen und den Leistungsantrag. Was muss ich mitbringen, wenn ich zum Termin erscheine? Wo muss ich überhaupt hin? Das alles steht dort auch auf Englisch und Arabisch.
Wie stellen Sie die Eignung von Flüchtlingen für bestimmte Jobs fest?
Dagmar Brendel: Wir legen Wert auf die praktische Feststellung der Kompetenz. Wenn zum Beispiel ein junger Syrer sagt, er sei gelernter Maler und Friseur, können wir das allein im Gespräch nur schwer beurteilen. Deshalb arbeiten wir mit Trägern zusammen, schicken Kunden dort hin und geben ihnen die Chance, in praktischen Situationen zu zeigen, was sie können. Und die Flüchtlinge erkennen dadurch auch die Anforderungen, die man auf dem deutschen Arbeitsmarkt an sie stellt. So gewinnen wir bessere Anhaltspunkte für den Vermittlungsprozess und gegebenenfalls notwendige Förderansätze.
Was schätzen Sie, wie viele der aktuell 700 betreuten Flüchtlinge leicht vermittelbar sind und wie viele schwieriger?
Dagmar Brendel: Konkrete Quoten kann ich da nicht nennen. Die größten Erfolgsaussichten hat sicherlich die Gruppe der jungen Erwachsenen. Wenn gute Deutschkenntnisse da sind, lassen sie sich in der Regel recht gut in den Arbeitsmarkt integrieren. Bei Jugendlichen steht die Frage der Ausbildungsreife im Vordergrund. Das beginnt bei der Frage, welche schulischen Chancen da sind, um die Bildung zu verbessern, bis hin zu Vorbereitungsmaßnahmen zur Einmündung in eine Berufsausbildung.
Wie viel Zeit kann vergehen von dem Moment, wenn der Asylantrag eines Flüchtlings bewilligt wird, bis zu dem Moment, wenn er in Arbeit kommt?
Dagmar Brendel: Das ist sehr unterschiedlich – es gibt Beispiele für fast alles. Wir fangen Ende Februar verstärkt an mit der praktischen Kompetenzfeststellung und prüfen unter realistischen Bedingungen die Eignung. Dann wissen wir, wohin wir bei der Berufsvermittlung steuern müssen. Auch wir sind dabei, Erfahrungswerte zu sammeln, wir die Vermittlung möglichst zügig und reibungsfrei funktionieren kann.
Wie gehen Sie damit um, wenn Flüchtlinge nicht schreiben und lesen können?
Dagmar Brendel: Auch das kommt natürlich vor. Und wir erwägen, ob wir dort nicht eine Sonderbetreuung anbieten. Wir haben eine Spezialistin im Haus mit entsprechender Zusatzqualifikation. Es gibt aber bereits einen Integrationskurs mit dem Schwerpunkt Alphabetisierung. Der Kurs umfasst 960 Stunden und läuft über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Würden Sie sich der Kanzlerin anschließen, wenn sie sagt: Wir schaffen das?
Dagmar Brendel: Bei uns im Haus ist die Stimmung derzeit so, dass wir dazulernen, Erfahrung sammeln. Aber grundsätzlich sind wir sehr aufgeschlossen. Die Kollegen in unserem Flüchtlingsteam arbeiten hoch motiviert. Denn wenn man das halbherzig macht, wäre die Lage nicht zu stemmen.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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