Räuchern wie zu Opas Zeiten
Feinkost Rogacki feiert 90-jähriges Bestehen
Aufgebaut, zerbombt, wieder hochgezogen und ausgebaut. Feinkost Rogacki in der Wilmersdorfer Straße ist traditioneller Familienbetrieb, wie er im Buche steht. In diesem Jahr wird er 90 Jahre alt.
Wie spricht man den Namen denn nun eigentlich korrekt aus? „Rogakki“ oder „Rogatzki“? „,Rogatzki`ist richtig“, sagt Dietmar Rogacki, 62 Jahre alt. Mit dieser Frage wird er oft konfrontiert, etwa, wenn er mit dem Taxi von der Grünen Woche nach Hause fährt – er hat sich wieder einmal über die neuesten Trends auf dem Lebensmittelmarkt informiert – und der Taxifahrer bei der Adresse „Rogatzki“ ihn fragend anblickt, er dann bei „Rogakki“ aber sofort klar sieht, wohin die Reise gehen soll.
Herz und Seele für viele im Kiez
In die Wilmersdorfer Straße/Ecke Zillestraße nämlich. Seit Mitte der 1930er-Jahre hat die Familie dort ihren Feinkostladen. Dietmar und seine Frau Ramona Rogacki führen das Geschäft bereits in dritter Generation. In diesem Jahr feiert es sein 90-jähriges Bestehen. Anlässlich des Jubiläums erhielt Dietmar Rogacki Anfang Oktober die Auszeichnung „Berliner Kiezmeister 2018“. Die Jury befand: "Berlins letzte Traditions-Fischräucherei ist Herz und Seele für viele im Kiez rund um die Wilmersdorfer Straße - und darüber hinaus." Kürzlich machte auch Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) seine Aufwartung zur Gratulation. „So etwas macht uns schon stolz und ist Bestätigung für unsere Arbeit“, sagt der Chef.
In Wedding hat alles begonnen
Begonnen hat alles im Jahr 1928 in Wedding. Die Großeltern Paul und Lucia hatten sich mit einer Aal- und Fischräucherei selbstständig gemacht. „Damals wurde noch zugekauft und wieder verkauft, dafür sind die beiden mit dem Bollerwagen zum Markt auf den Alexanderplatz gelaufen“, weiß Dietmar Rogacki aus Erzählungen. Das änderte sich 1932 mit der Errichtung von eigenen Räucheröfen, die dann auch den Umzug nach Charlottenburg mitmachten und bis heute das Qualitätssiegel der Rogackis rundmachen. „Über Buchenholz geräucherter Fisch, ich glaube, das ist in Deutschland mittlerweile sehr selten. Meist wird elektronisch mit Rauchemulatoren geräuchert. Geschmacklich wie optisch ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht“, sagt Rogacki.
Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Geschäft zerbombt – und von den Großeltern wieder aufgebaut. Anfang der 50er-Jahre übernahm Dietmars Vater Alfred das Geschäft. Zum Unglück der gesamten Familie verstarb er 1972 bereits mit 42 Jahren und von einem Tag auf den anderen war Mutter Eva auf sich allein gestellt. „Mit meinen beiden Brüdern und mir. Unglaublich, was sie geleistet hat“, sagt Dietmar Rogacki, damals 16 Jahre alt.
Wie eine Markthalle
Er selber habe zwar eine Lehre als Einzelhandelskaufmann absolviert, aber eben auch eine als Fotograf, denn Bilder machen, das war seine eigentliche Leidenschaft. Irgendwann vor 40 Jahren sei er dann gefragt worden, ob er nicht aushelfen könne im Laden. „Irgendeine leichte Tätigkeit war das“, erinnert er sich. Und so habe es sich nach und nach für ihn ergeben, doch in den elterlichen Betrieb einzusteigen. Heute ist er stolz auf die 90 Jahre und darauf, die Fahne der immer seltener werdenden Spezies der alten Familienbetriebe hochzuhalten. Und natürlich steht er voll und ganz hinter dem Angebot von Feinkost Rogacki. 150 verschiedene Arten frisch geräucherten Fisch stehen in der Markthalle zur Auswahl, dazu Geflügel, Fleisch, Backwaren und Salate, eine Kaffee- und eine Weinabteilung sowie Imbissstände. „Wenn man möchte, kann man sich bei uns den ganzen Tag den Bauch vollschlagen“, sagt Dietmar Rogacki augenzwinkernd.
Was wünschen Sie sich?
Wenn sich der Chef von 80 Mitarbeitern etwas wünschen dürfte, dann wäre es Gesundheit, dass sein Betrieb die 100 Jahre schaffe – Sohn Nikolai, 29 Jahre alt, arbeitet bereits mit –, dass Familienbetriebe von der Politik mit einer Art Bestandsschutz geschützt würden und nicht wegen Mieterhöhungen aufgeben müssten und ein paar Parkplätze mehr vor der Tür wären nicht schlecht. „Bis vor fünf Jahren hatten wir noch eine Parkraumbewirtschaftung. Die ist weggefallen und damit haben es gerade ältere Stammkunden von weiter weg schwerer, zu uns zu kommen.“ Und noch etwas fände er ganz chic: „Es ist wahnsinnig schwer, der Kundschaft die Plastiktüten abzugewöhnen.“
Auch genehm wäre freilich die richtige Aussprache des Firmennamens, aber das nimmt Dietmar Rogacki mit Humor. Wieder einmal mit dem Taxi von der Grünen Woche nach Hause unterwegs, sagte er dem Fahrer in weiser Voraussicht: „Zu Rogakki, bitte.“ Und er staunte nicht schlecht, als der sich umdrehte und ihn belehrte: „Junger Mann, das heißt ,Rogatzki'!“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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