Kochen lernen in Pandemie-Zeiten
IHK stellt Azubis ihre Küche zur Prüfungsvorbereitung zur Verfügung
Im Ludwig-Erhard-Haus in der Fasanenstraße 85, Sitz der Industrie- und Handelskammer zu Berlin (IHK), laufen derzeit die Herde in der hauseigenen Lehrküche auf Hochtouren.
Normalerweise ist an den neun Küchenarbeitsplätzen nichts los. Nur zu den Abschlussprüfungen der jährlichen Koch-Azubis werden dort Messer gewetzt und Pfannen geschwenkt. Die IHK-Lehrküche sei dann eher ein „Angstort“, meint IHK-Sprecherin Claudia Engfeld, an dem angehende Köche beweisen müssen, dass sie auch unter Zeitdruck leckere Drei-Gänge-Menüs auf den Teller zaubern können. Für die IHK-Prüfungen haben die Azubis normalerweise genügend Zeit, sich in den Küchen ihrer Ausbildungsbetriebe ausgiebig vorzubereiten.
Doch in Corona-Zeiten ist alles anders. Viele Hotel- und Restaurantküchen sind momentan geschlossen. Und in den Monaten zuvor gab es auch kaum Möglichkeiten, viel Zeit am Herd zu verbringen. In manchen Häusern gab es nur noch Frühstück. Damit sich die angehenden Köche doch noch ordentlich vorbereiten und Anfang nächsten Jahres ihren Abschluss machen können, öffnet die IHK ihre Prüfungsküche zum Üben. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales unterstützt die „Pop-up-Prüfungsvorbereitung“ und gibt 36 500 Euro für das Extra-Training. Von dem Geld werden die Zutaten finanziert.
Bei 120 Lehrlingen, die in den kommenden Wochen jeweils vier Tage lang von IHK-Prüfer Josef Eder Tipps und Tricks lernen können, kommt da einiges zusammen. Vorspeisen wie Fischterrine, Lammrücken oder ein Parfait mit Apfelkompott – jeder Azubis bekommt einen Warenkorb mit Lebensmitteln, aus denen er Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts zubereiten muss. Eder hat jahrelang im Berliner Hyatt-Hotel den Kochlöffel geschwungen und ist ehrenamtlicher Prüfer in der IHK-Küche. Das Essen, das die Köche nach Zeitplan zubereiten müssen, verspeisen die Jungköche anschließend selbst. Claudia Engfeld hat auch schon einen Nachtisch abbekommen.
Die IHK stellt ihre Küche und den Ausbilder kostenfrei zur Verfügung. „Das Gastgewerbe gehört zu den ausbildungsstärksten Branchen in Berlin und hat zusammen mit dem Tourismus, der Veranstaltungswirtschaft und der Kultur mit am meisten unter der Krise zu leiden“, sagt IHK-Präsidentin Beatrice Kramm. „Unternehmen, die jetzt zum zweiten Mal in diesem Jahr vom Stillstand ihrer geschäftlichen Tätigkeit betroffen sind und gleichzeitig riskieren, ihren Nachwuchs kurz vor dem Abschluss zu verlieren, sind doppelt bestraft.“ Mit der Pop-up-Lehrstätte will Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) „die künftigen Fachkräfte beim erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung unterstützen und auf diesem Weg den Fachkräftebedarf in der Hotel- und Gaststättenbranche sichern“.
Jedem sechsten Betrieb droht das Aus
Das Hotel- und Gastgewerbe hat in der Pandemie besonders zu leiden. Die Zahl der Berlinbesucher ist in den ersten acht Monaten des Jahres um 58 Prozent geschrumpft. Restaurants und Hotels erleiden drastische Umsatzeinbrüche. Über 71 Prozent der gastgewerblichen Betriebe sehen sich aktuell in ihrer Existenz gefährdet. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga hervor. Demnach drohe jedem sechsten Betrieb bereits ab November die Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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