Neuer Pächter in Charlottenburgs ältester Kneipe
Charlottenburg. „Wilhelm Hoeck“ ist nicht totzukriegen. Nach einer zwischenzeitlichen Schließung des urigen Lokals im alten Teil der Wilmersdorfer Straße will der neue Pächter Marko Tobjinski die Kneipe zu neuer Blüte führen. Bloß nichts ändern, heißt die Devise – auf dass der rustikal-gemütliche Geist verbleibt.
Es ist nicht so, dass Marko Tobjinski diese Kneipe gesucht hatte. Man könnte sogar sagen, die Kneipe hatte nach ihm gerufen, als er Ausschau nach etwas völlig anderem hielt. Gut eineinhalb Monate sind seit der Neueröffnung von „Wilhelm Hoeck 1892“ vergangen. Und Tobjinski, der eigentlich einen Biergarten wollte, hat sich ins Ambiente dieser Edelspelunke nahtlos eingefügt. Er ist jetzt Teil eines Organismus, der 125 Jahre überstanden hat, ohne das Hektische, das Trendige und Neue an sich heranzulassen.
Teil der Geschichte werden
„Die Altbau-Mauern sind so dick, da kommt kein Internet rein. Man muss die Smartphones weglegen und kann sich hier noch richtig unterhalten“, preist Tobjinski die nostalgischen Effekte. Bier trinken im „Wilhelm Hoeck“ lässt den Genießer der Molle Teil werden einer Geschichte. Das Weilen in der rauchigen Stube mit Originalausstattung aus dem Gründungsjahr macht auf wundersame Weise immun gegen Stress und den Wunsch, es allen recht zu machen. Hier hat der Kellner noch eine Kippe im Mund und grüßt Stammgäste beim Vornamen.
„Ich hab mir gedacht: Die machen das schon“, brummt ein Herr namens Hans als Antwort auf die Frage, ob er wegen der Schließung des „Wilhelm Hoeck“, seit Menschengedenken in der Wilmersdorfer Straße 149 heimisch, besorgt gewesen sei. Die Streitigkeiten zwischen dem Hauseigentümer und der früheren Wirtin sind eine kniffelige Geschichte, von der Tobjinski wenig weiß. Im Januar kam es jedenfalls zur Schließung. „Bei so einem Zoff hat jeder Beteiligte eine eigene Version“, winkt er ab. Der 47-jährige Wilmersdorfer nahm Anfang Februar den Zapfhahn in die Hand und kümmert sich seitdem mit sonnigem Gemüt um die Zukunft des Hauses.
Im Originalzustand belassen
Die liegt in der Vergangenheit. Will heißen: Alles, was „Wilhelm Hoeck 1892“ von seinem Originalzustand wegführt, ist tunlichst zu vermeiden. Die uralten Spirituosenflaschen müssen ebenso bleiben wie die antike Kasse und kauzig-treue Gäste. Der Fleck an der Decke – angeblich eine Hinterlassenschaft von Rudi Dutschke beim Teebeutelwurf – muss erkennbar bleiben. Eine Jukebox vor dem Porträt des Kneipengründers kehrte an ihren Platz zurück.
Nein, Tobjinski bereut es nach eineinhalb Monaten am Tresen dieser Kneipe nicht, dass er hier einsprang, obwohl er einen Biergarten suchte. Seine Cocktailbar „Carlitos“ betreibt er weiterhin und lässt die zwölf Mitarbeiter im „Wihelm Hoeck“ den Laden schmeißen. Eine intakte Kneipe funktioniert ja fast von selbst. „Die Stammgäste haben mir erklärt, wie es läuft“, bedankt sich der neue Wirt bei den altgedienten Herrschaften. Und bei unverwüstlichen Damen: „Unsere älteste Anhängerin ist 83 Jahre alt. Sie bestellt erst ein Bier, dann einen Korn.“
Neues im Restaurantbereich
Aber insgeheim gibt es doch etwas, das der Neuwirt ändern will. Den Restaurantbereich. Er soll am Sonnabend, 18. März, nach einem Umbau ebenfalls neu eröffnen. Und natürlich: Es wird noch nostalgischer, noch uriger, noch Berlinerischer zugehen als bisher. Die artfremde bayrische Dekoration flog raus, Atmosphäre aus Zilles Zeit zieht ein. Auf den Tellern landen einschlägige Gerichte wie Eisbein, Kasseler, Kraut und Klöpse. Erstmals gibt es dann auch einen Mittagstisch. Und auf Wunsch auch kleine Portionen von vielerlei Speisen – damit sich auch der geneigte Tourist bei einem Besuch quer durchs Programm futtern kann.
Kleine Speisen als Beiwerk zur goldgelben Flüssignahrung gibt es freilich auch im Kneipenbereich. Was passt besser zur Molle als Bockwurst und Schmalzstulle? Das „Wilhelm Hoeck“ ist nicht totzukriegen. Es lebt fort mit jedem Schluck und jedem Schmatzen. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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