Dem Doktor geht’s schlecht
Vor allem in den östlichen Randbezirken fehlen Hausärzte

Freut sich über die Niederlassungsförderung für Hausärzte: KV Berlin-Vizechef Burkhard Ruppert. | Foto: KV Berlin
  • Freut sich über die Niederlassungsförderung für Hausärzte: KV Berlin-Vizechef Burkhard Ruppert.
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Gerade die Coronakrise zeigt, wie wichtig eine flächendeckende Gesundheitsversorgung ist. Doch der Hausarztmangel betrifft nicht nur ländliche Gebiete. Auch in Berlin fehlen Ärzte. Hausärzte in unterversorgten Bezirken werden ab 1. Oktober von den Krankenkassen gefördert.

Berlin wächst, aber nicht unbedingt die Zahl der niedergelassenen Ärzte. In manchen Bezirken sinkt sogar die Zahl der Praxen. Viele ältere Ärzte finden keinen Nachfolger. Nicht jeder Nachwuchsarzt hat Bock auf eine eigene Praxis. Denn das bedeutet vor allem Kredite aufzunehmen, Verantwortung für Mitarbeiter, Bürokratieaufwand und Abrechnungskram nach dem anstrengenden Arzttag. Dazu kommen noch Regressbefürchtungen, wenn eine Leistung nicht anerkannt wird. Auch wenn sie unterm Strich vielleicht etwas weniger verdienen, arbeitet in Berlin fast jeder dritte Arzt inzwischen angestellt; jeder zweite davon in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ). Kein wirtschaftliches Risiko, kein Stress nach Dienstschluss – warum sich also niederlassen?

Mehr als 500 Hausärzte
gehen bald in den Ruhestand

Für die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin, die Vertretung der niedergelassenen Vertragsärzte und Psychotherapeuten, ist das ein Problem. Sie geht davon aus, dass mehr als 500 Hausärzte in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich in den Ruhestand gehen werden. Jahrelang wurden keine neuen hausärztlichen Vertragsarztsitze mehr zugelassen, da der Versorgungsgrad über ganz Berlin betrachtet über 110 Prozent lag. Dennoch gibt es vor allem in den Bezirken Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf immer weniger Hausärzte. Der Versorgungsgrad liegt in Lichtenberg bei 80,7 Prozent, in den beiden anderen Bezirken bei 83,5 beziehungsweise 89,9 Prozent. Zum Vergleich: in Charlottenburg-Wilmersdorf liegt der Versorgungsgrad bei 132,7 Prozent, in Tempelhof-Schöneberg bei 119,9 Prozent, in Pankow bei 110 Prozent oder in Friedrichshain-Kreuzberg bei 111 Prozent. Der grund: Die Kassenärzte haben hier in ihren Praxen auch mehr Privatpatienten und können in wohlhabenderen Bezirken mehr private Zusatzleistungen wie Hautkrebs-Screenings verkaufen.

Zusätzliche Arztsitze beschlossen

Rund 6.800 niedergelassene Ärzte und rund 1.600 Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten kümmern sich in Berlin um die ambulante Versorgung. Der Berliner Durchschnittswert beim Versorgungsgrad in der Gruppe Hausärzte liegt bei 105,1 Prozent. Selbst die „schlechten“ Bezirke sind noch nicht im roten Bereich – eine Unterversorgung mit Hausärzten gilt offiziell erst bei einem Versorgungsgrad von unter 75 Prozent. Damit der Wert von 105,1 Prozent nicht noch weiter sinkt, hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen auch im vergangenen Jahr beschlossen, die Zulassungsbeschränkungen in Berlin für Hausärzte parziell aufzuheben. In diesem Jahr hat der Zulassungsausschuss über die Vergabe von Arztsitzen für Hausärzte sowie über zusätzliche Arztsitze in den Fachgruppen Augenheilkunde, Gynäkologie und Rheumatologie entschieden. Insgesamt wurden knapp 100 neue Arztsitze vergeben. Für die 62 Hausarztplätze hatten sich 119 Personen beworben. Wie die KV mitteilt, konnten in allen Bezirken mit einem Versorgungsgrad unter 110 Prozent Sitze vergeben werden. „Erfreulich war, dass in den am geringsten versorgten Bezirken das Versorgungsniveau lokal verbessert werden konnte – obwohl für diese Bezirke die wenigsten Bewerbungen von Hausärzten vorlagen“, heißt es. So wurden 1,5 Sitze in Lichtenberg vergeben, 4,5 in Treptow-Köpenick und 7,5 in Neukölln. Für den ebenfalls gering versorgten Bezirk Marzahn-Hellersdorf gab es keine Bewerber.

7.000 bis 8.000 Euro mehr Honorar pro Quartal

Ab 1. Oktober wollen die Krankenkassen Hausarztpraxen sowie Kinderärzte, Frauenärzte und Augenärzte in Bezirken mit einem unterdurchschnittlichen Versorgungsgrad fördern. Die sogenannte Niederlassungsförderung ist ein Verhandlungsergebnis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zu den Honoraren. Durch den Zuschuss hat ein Hausarzt zirka 7.000 bis 8.000 Euro mehr Honorar pro Quartal. Eine knappe Million Euro geben die Krankenkassen in diesem Jahr dafür aus. Bei den Hausärzten haben nach dem „Letter of intent“ die Bezirke Spandau, Neukölln, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Reinickendorf einen unterdurchschnittlichen Versorgungsgrad. „Wir freuen uns, mit der Niederlassungsförderung ein neues Instrument einsetzen zu können, um die ambulante Versorgung in den schlechter versorgten Bezirken zu verbessern“, sagt der Vizechef der KV Berlin, Burkhard Ruppert.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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