Kein Glühwein vorm Schloss
Wegen Corona-Auflagen: Veranstalter sagt Weihnachtsmarkt ab
Wegen der strengen Corona-Regeln des Senats zieht Betreiber Tommy Erbe die Notbremse und sagt seinen beliebten Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg ab. Die anderen Weihnachtsmärkte machen wohl trotzdem auf.
Einen Glühwein vor der prächtigen Kulisse vorm Schloss Charlottenburg genießen, lecker Stollen knabbern und besinnlichen Bläserklängen lauschen: Nach dem Corona-Aus aller Weihnachtsmärkte im vergangenen Jahr wird es den Budenzauber auch in diesem Jahr nicht geben – zumindest nicht in Charlottenburg. Betreiber Tommy Erbe hat seinen Markt abgesagt. Grund: die unkalkulierbaren Corona-Gesetze des Senats, die sich bis zum Start im November ändern und verschärfen können. Erbe hat seinen Antrag beim Bezirksamt wegen „massiver Rechts- und Planungsunsicherheit“ zurückgezogen. „Der Senat hat es in eineinhalb Jahren nicht geschafft, sinnvolle Regeln zu finden“, ärgert sich Erbe über das Corona-Chaos.
Eingangskontrollen würden
die Personalkosten erhöhen
Die geforderten 2G- oder 3G-Regeln hält er für nicht durchführbar. Es sei unmöglich, Tausende Impfpässe zu checken und rechtlich unzulässig, allen Mitarbeitern Impfschutz vorzuschreiben. Allein die Eingangskontrollen würden die Personalkosten um 250 000 Euro erhöhen. „Dann müsste der Glühwein acht Euro kosten“, sagt Erbe, für den das chaotische Agieren der Behörden „pure Hilflosigkeit“ ist.
Kein Alkohol in Grünanlagen erlaubt
Anders als die anderen Weihnachtsmärkte steht Erbes Markt auf einer ausgewiesenen Grünfläche (absurd, denn der Platz vor dem Schloss ist gepflastert). Und laut Corona-Verordnung des Senats ist in Grünflächen Alkohol verboten. „Ohne Glühwein macht ein Weihnachtsmarkt keinen Sinn“, sagt Erbe. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hätte für den Weihnachtsmarkt aber eine Ausnahmegenehmigung vom Alkoholverbot erteilen können. „Hätten wir auch gemacht, wie beim Weinfest auf dem Rüdesheimer Platz, wurde aber nie beantragt“, wehrt sich Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) gegen den Vorwurf, seine Behörde sei schuld. Erbes Anwalt habe die Absage mit der Verwaltungspraxis des Senats und deren Kurzfristigkeit bei den Änderungen der Corona-Auflagen begründet. „Von einer Verhinderungshaltung des Bezirksamtes kann somit keinesfalls gesprochen werden“, sagt auch der zuständige Stadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne), der mit dem streitbaren Unternehmer seit Jahren im Clinch liegt. Erbe spricht von „aktuellen Schikanen des Bau- und Grünflächenamtes und gezielten Attacken“.
Für Tommy Erbe ist das wirtschaftliche Risiko zu hoch, weil niemand weiß, was der Senat als nächstes vorschreibt oder verbietet. „Nach der derzeit gültigen Corona-Verordnung steht ein Weihnachtsmarkt-Veranstalter mit einem Beim im Knast“, so Erbe. Denn Verstöße gegen kaum durchsetzbare Regeln würden bis zu 15 000 Euro Strafe pro Verstoß kosten. „Bei dem politischen Ärger, den wir hier wegen Terrorkosten-Klagen haben, und weil wir uns gegen die Politik in Senat und Bezirksamt wehren und nicht gewollt sind, haben wir auch keine Freunde beim Ordnungsamt“, sagt Erbe.
Während in anderen Städten und Ländern längst gelockert wird, macht der Senat Unternehmern trotz hoher Impfquoten der Bevölkerung das Leben schwer. Allein 500 Leute – Verkäufer, Security, Techniker und so weiter – verdienen nun durch die Weihnachtsmarktabsage in Charlottenburg nichts. Der Stadt entgehen enorme Steuer- und Gebühreneinnahmen.
Die anderen großen Weihnachtsmärkte wollen es stemmen
Die anderen Weihnachtsmarktbetreiber lassen sich bisher nicht von den Corona-Vorgaben abschrecken. „Die Leute wollen einen Weihnachtsmarkt, wir kriegen das gestemmt“, sagt Helmut Russ vom Weihnachtsmarkt Gendarmenmarkt. In seine Budenwelt kommt man nur mit 2G-Nachweis (geimpft oder genesen). Russ kalkuliert mit 100 000 Mehrkosten für die Einlasskontrollen. Bei den Millionenumsätzen, die die Veranstalter in den fünf Wochen einfahren, scheint das kein Problem zu sein. „Wir machen 2G, kein Problem. Die Kosten für die Kontrollen habe ich noch nicht kalkuliert“, sagt auch Hans-Dieter Laubinger, der seinen Markt mit Eisbahn und Riesenrad vor dem Roten Rathaus aufbaut. Die Weihnachtsmärkte auf dem Alex, Potsdamer Platz und Breitscheidplatz öffnen ebenfalls mit 2G-Regeln.
Spandauer Weihnachtsmarkt
erstmals auf der Zitadelle
Wegen der Corona-Vorgaben zieht der Spandauer Weihnachtsmarkt von der gemütlichen Altstadt dieses Jahr zum ersten Mal hinter die schützenden Mauern der Zitadelle. Am Tor der Festung wird allerdings nicht nur der 2G-Nachweis kontrolliert. Besucher müssen auch erstmals Eintritt zahlen für den Spandauer Weihnachtsmarkt: 3,50 Euro pro Person ab 16 Jahre – Museumsbesuch inklusive.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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