"Wir waren der letzte Rettungsanker"
Weihnachtsmarkt am Schloss abgesagt
Vor der malerischen Kulisse des Charlottenburger Schlosses wird es erstmals seit 14 Jahren keinen Weihnachtsmarkt geben. Veranstalter Tommy Erbe muss den Markt wegen der strengen Corona-Regeln absagen – trotz eines Hygienekonzepts.
Keine Holzhütten, keine Pagodenzelte, kein romantischer Lichterglanz. Berlins beliebter Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg sagt in diesem Winter adieu. Was Tommy Erbe traurig stimmt. Am liebsten würde er sofort abheben mit seinen Engelsflügeln und nach einem Weihnachtswunder suchen. Doch das kann auch Erbe nicht herbeizaubern: „Mit großem Bedauern muss ich heute mitteilen, dass der Weihnachtsmarkt leider ausfallen muss.“
„Der Senat hatte seit März genügend Zeit,
sich ein sinnvolles Konzept für die Weihnachtsmärkte zu überlegen“
Stattfinden sollte er eigentlich vom 23. November bis 26. Dezember. Bis zuletzt war Veranstalter Tommy Erbe auch zuversichtlich, dass er seinen Weihnachtsmarkt öffnen kann. „Wir standen in den letzten Monaten im regelmäßigen Austausch mit unseren Mietern und Gewerken, um jede Möglichkeit zu prüfen“, sagt Erbe. Bereits im Sommer sei für den Markt ein umfangreiches Hygienekonzept entwickelt worden, das den Zugang nur mit Maske erlaubt hätte. Das Konzept sei von den Behörden auch als sehr gut bewertet worden, so Erbe. Doch wegen der strengeren Corona-Auflagen vom Land Berlin habe er nun endgültig entschieden, den Markt abzusagen. Auch weil er vermute, dass die Beschränkungen im Dezember weitergehen. „Dabei hatte der Senat seit März genügend Zeit, sich ein sinnvolles Konzept für die Weihnachtsmärkte zu überlegen.“
Nun also das Aus. „Es wäre in diesem Jahr das 14. Mal gewesen“, sagt Erbe. Den wirtschaftlichen Schaden schätzt der Unternehmer auf 15 Millionen Euro. So viel bringt der Weihnachtsmarkt mit seinen rund 800 000 Besuchern ungefähr an Umsatz. Hart trifft die Absage vor allem die 500 Mitarbeiter, Mieter und Gewerke. „Die hängen jetzt total in den Seilen, weil sie schon übers Jahr nicht viel verdient haben“, bedauert Tommy Erbe. „Wir waren für sie der letzte Rettungsanker.“
"Wir haben keine Alternative"
Einer von ihnen ist Christian Barysch von der „Werkgemeinschaft“. Die sechs Kunsthandwerker verkaufen Keramik, Glas, Porzellan und Kerzen auf dem Markt. „Wir haben jetzt keinerlei Alternative“, sagt Barysch. Es sei zu spät, sich woanders zu bewerben. „Wir haben ganz fest auf den Charlottenburger Weihnachtsmarkt gehofft.“ Nun gingen den Kunsthandwerkern an die 10 000 Euro verloren. Andere Händler sprechen von „Panikmache“ und kritisieren das „unkoordinierte Vorgehen“ der Berliner Verwaltung.
Was auch Tommy Erbe ein bisschen wütend macht, hatte er in den letzten Jahren doch immer wieder mit größeren Hindernissen zu kämpfen: späte Genehmigungen, Sicherheitsauflagen, Rechtsstreit. Eine reine Achterbahnfahrt sei das gewesen, sagt Erbe. “Doch trotz der kräftezehrenden gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Land Berlin wegen der Kostenübernahme der Terrorschutzmaßnahmen ist es uns bisher jedes Jahr gelungen, eine Lösung zu finden, um in Berlin einen der schönsten Weihnachtsmärkte Deutschlands zu veranstalten.“ Und jetzt das. Also doch der Abflug? In der Hauptstadt wird er wohl über Weihnachten nicht bleiben, sagt Erbe. „Den Berlinern steht eine traurige Zeit bevor.“
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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