Wüstenrot-Stiftung und TU machen Umlauftank fit für die Zukunft
Jeder kennt ihn, deutlich weniger wissen, was er soll. Jetzt erstrahlt der Umlauftank 2 auf der Schleuseninsel am Tiergarten jedenfalls in neuem Glanz – besser gesagt in frischem Dunkelblau und Quietschrosa. Die Wüstenrot-Stiftung hat ihn für 3,5 Millionen Euro denkmalgerecht saniert.
Als Fußgänger auf der Straße des 17. Juni, als S-Bahn-Fahrgast oder womöglich als Flugzeugpassagier – kaum ein Berliner, der den in seiner Gestaltung und Farbgebung extrem auffälligen Bau an der "Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau" nicht schon aus irgendeiner Perspektive wahrgenommen hätte. Er sticht ja auch nicht nur wegen seiner imposanten Ausmaße ins Auge. Mit der Kombination aus einem blauen Quader auf Betonsockel und Stahlstützen und einer gewaltigen, rosafarbenen Rohrkonstruktion drum herum ginge der Bau locker als Feriendomizil der Teletubbies, Teil eines Wasserrutschenparadieses oder futuristisches Raumschiff durch. Dabei ist er vor allem eines: wissenschaftliches Gerät.
Versuche im Strömungskanal
Hier stellt die Technische Universität (TU) seit 1974 Schiffsmodell- und Strömungsversuche an – vereinfacht gesagt. Dazu treiben zwei jeweils 2750 PS starke Dieselaggregate eine gewaltige Schiffsschraube an, um den Wasserfluss im Messbereich auf bis zu 36 Stundenkilometer zu beschleunigen. Dann wird das Verhalten von Schwimmkörpern in diesem Fluss beobachtet, ihr Widerstand gemessen. „Hier entstand beispielsweise die Erkenntnis, dass der Pinguin den strömungsgünstigsten Körper der Welt hat und deshalb schneller schwimmen kann als der Hai“, sagte Paul Uwe Thamsen vom Hermann-Föttinger-Institut, Fachgebiet Fluidsystemdynamik. Sechs Jahre lang dauerte die Errichtung nach den Entwürfen des Konstrukteurs Christian Boes unter der künstlerischen Leitung des Architekten Ludwig Leo. Ihr Clou – den Strömungskanal des Umlauftanks nicht mit einer Halle zu umschließen – sorgte für den wahrzeichenartigen Charakter, den dieses Forschungsinstitut heute genießt. Und immer, allen Gerüchten und dem äußerlich klar erkennbaren Verfall zum Trotz, war die Anlage in Betrieb.
Bevor sich das Denkmalpflegeprogramm der Wüstenrot-Stiftung des seit 15 Jahren unter Denkmalschutz stehenden Tanks im Jahr 2012 mit einer Machbarkeitsstudie zur Sanierung annahm, habe es Gespräche gegeben, die so traurig wie der Anblick der Konstruktion gewesen seien, sagte TU-Vizepräsidentin Christine Ahrend. Jeder habe den Umlauftank erhalten wollen, geschehen sei nichts. „Und jetzt bin ich glücklich, dass er wieder so aussieht wie zu meiner Studienzeit in den 80er-Jahren, als ich ihn zum ersten Mal sah.“
1,5 Millionen Euro von der TU
Die „wunderbare neue Hülle“ gebe auch der Belegschaft neue Kraft und sie sei froh, dass die TU weitere 1,5 Millionen Euro für die technische Ertüchtigung zuschustere. „Mit diesem kleinen, aber feinen Wassertank können Dinge ausprobiert werden, für die Großanlagen andernorts nicht in Betrieb genommen werden“, sagte Ahrend.
Auf den Tischen lagen verwitterte PU-Schaumstücke der Verkleidung der beiden Gebäudekomponenten. Eindeutige Belege für den maroden Zustand vor der Sanierung. „Wir hielten dieses Denkmal für sehr gefährdet, eine Rettung tat absolut Not“, sagte Philip Kurz, Geschäftsführer der Wüstenrot-Stiftung. Besonders die Außenhaut der Halle mit dem Laborgebäude sei völlig durchgerostet gewesen. Nach der Machbarkeitsstudie und einer 15-monatigen Planungszeit wurde dann zur Tat geschritten, fast zwei Jahre lang wurde saniert – bis in den November 2017 hinein. Eine große Schwierigkeit war das Baugerüst für das unregelmäßige Gebäude. „Es musste ja an der Fassade schweben. Das teuerste Gewerk von allen“, so Kurz. Risse im Betonsockel wurden saniert, Holzfenster neu gestrichen und mit bauzeitlicher Verglasung wieder eingebaut und – ganz wichtig – das Treppenhaus wurde von jeglichen Asbestplatten befreit. Nun erstrahlt der „UT 2“ außen wie innen wieder in seinen Originalfarben.
"Ein rotzfreches Teil"
Pop-Architektur sei das unorthodoxe Ungetüm am Tiergarten, sagen Berliner. „Der Umlauftank genießt eine Sonderstellung in der Architektur des 20. Jahrhunderts“, sagt Kurz. „Ein Oldtimer muss Spaß machen“, merkt Thamsen an. Dank der Wüstenrot-Stiftung und der TU könne jetzt wenigstens für weitere 20 Jahre geforscht werden, ohne dass mit den Ergebnissen auch zwingend Geld gemacht werden müsse. „Und das macht Spaß.“ Warum der Erhalt des peppigen Tanks auch für Nichtwissenschaftler und Architekturbanausen eine schöne Sache ist, beschrieb HG Merz, der zur Feier des Tages in „umlauftankblauen“ Anzug gewandete Inhaber des ausführenden Planungsbüros „HG Merz Architekten“: „Da steht dieses rotzfreche Teil an der Straße des 17. Juni und streckt dieser imperialen Achse einfach die Zunge raus – großartig.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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