Wedding. Sie nennt sich Guerilla-Gärtnerin und macht die Türkenstraße, in der sie wohnt, grün. Alfa Conradt baut zum Langen Tag der Stadtnatur den achten Gehweggarten und gibt Tipps zur Baumscheibenbegrünung.
Der Balkon im Dachgeschoss ist eine grüne Oase. Feigen, Lavendel, Astilben und etliche weitere für Bienen interessante Pflanzen gedeihen hier oben. Und wenn man runterschaut auf die triste und schmuddelige Türkenstraße, sieht man die grünen und bunt blühenden Inseln, die Alfa Conradt auf der Gehwegseite vor ihrem Haus geschaffen hat. Seit 2013 verwandelt Conradt die in dieser Gegend gern als Hundeklo benutzten Baumscheiben in schöne Minigärten. „Die Damen aus dem Seniorenstift nehmen jetzt immer den Weg durch die Türkenstraße, weil hier die Baumscheiben blühen“, freut sich die Ökoaktivistin.
Mehr Grün im Kiez
Alfa Conradt wohnt seit 13 Jahren in der Türkenstraße. Hier gibt es keine gläsernen Loftwohnungen, Galerien oder Szenebars; durch die Straße laufen alte Leute, Arbeiter und ganz normale Familien. Die Türkenstraße ist Wedding pur, mit Bierstampe und ein paar Läden. Irgendwann war es Alfa Conradt zu grau. „Ich wollte einen kleinen Garten vor meiner Tür“, sagt die 49-Jährige. Die Frau ist handwerklich begabt und baut die Zäune alle selbst um die grünen Gehweggärten. Das Material dazu findet sie in ihrem Kiez auf der Straße; zum Beispiel alte Querlatten von Betten, die die Leute einfach als Sperrmüll in die Gegend werfen.
Muttererde, Pflanzensamen und Material für die Einzäunung kauft sie selbst. Ein paar Hundert Euro gehen da für eine Baumscheibe schon drauf. Conradt will eine Welle auslösen; die Nachbarn sollen mitmachen und ihre Baumscheiben selbst bepflanzen und – ganz wichtig – pflegen. Leider hält sich das Interesse in Grenzen. Obwohl Conradt jeden in der Straße persönlich anspricht und zum Mitmachen animiert, kümmern sich nur drei Mietergemeinschaften, sogenannte Baumscheibenpaten, um Minigärten. „Ziel ist immer, dass die Leute aus den Häusern die Gärten kontinuierlich pflegen und vor allem gießen“, so Conradt. Weil das „eher schlecht funktioniert“, will sie zukünftig mehr Wüstenpflanzen verwenden, die wenig Wasser brauchen. Gewerbetreibende konnte die Guerilla-Gärtnerin auch noch nicht dazu bewegen, grüne Baumscheiben zu betreuen. Auch die BVG, die gegenüber von Conradts Wohnung in einem Bürohaus sitzt, macht bisher nicht mit. Unterstützung vom Grünflächenamt gibt es auch nicht. Ganz im Gegenteil: „Die wollten das verbieten, als ich die erste Baumscheibe angemeldet habe“, sagt Alfa Conradt. Sie hat es trotzdem gemacht, und in diesem Sommer baut Conradt drei weitere Baumgärten. Weil sie einfach immer weiter pflanzt, egal, was die Bezirksgärtner meckern, nennt sie sich gern Guerilla-Gärtnerin. Mittlerweile dulden die amtlichen Baumbetreuer Conradts Pflanzaktionen.
Das große Engagement wurde zumindest beim Grünwettbewerb des Umweltverbandes Grüne Liga gewürdigt. Im vergangenen Jahr hat Alfa Conradt beim Wettbewerb „Urbane Paradiese“ in der Kategorie Straßenraum den ersten Preis gewonnen. Dafür gab es Pflanzen- und Gartengerätegutscheine im Wert von 500 Euro.
Mehr Leute mobilisieren
Zum Langen Tag der Stadtnatur will Conradt wieder Leute mobilisieren, die in ihrem Kiez Baumscheiben bepflanzen wollen. Welche Samen sich eignen, was es rechtlich zu beachten gibt und wie ein Gehweggarten Mieter zusammenbringen kann, darüber will Alfa Conradt am 18. Juni mit den Leuten reden. DJ
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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