Degewo sperrt große Teile der Kunstoase ab
Für Fotografen und Filmleute ist die Wiesenburg, ein 1896 für 700 Männer gebautes und später mit 400 Frauenschlafplätzen erweitertes Aysylheim, eine Top-Location. Hier wurden etliche Filme gedreht. Szenen der "Blechtrommel" von Volker Schlöndorff zum Beispiel, oder 1930 Sequenzen des Fritz-Lang-Films "M - Eine Stadt sucht einen Mörder". Joachim Dumkow hat vor ein paar Jahren den Originalscheinwerfer auf dem Gelände gefunden. Joe Wiesenburger, wie er sich auf Facebook nennt, ist in der Wiesenburg aufgewachsen. Der 48-Jährige kennt jeden Winkel des Areals und führt gern Besucher durch die Ruinen.
Bis auf das Wohnhaus für die Bediensteten wurden im Zweiten Weltkrieg fast alle Gebäude zerbombt. In den früheren Schlafsälen auf dem über ein Hektar großen Gelände fehlen überall die Decken. Bäume sind im Gemäuer gewachsen, ein Märchenwald in Ruinen. Die Nazis hatten hier Reichsflaggen gedruckt und zuletzt Munition hergestellt.
Seit Jahren nutzen Künstler die hintere Halle des einstigen Frauenasyls als Tanz-, Proben- und Werkstatträume. In der "UnbezahlBAR" im alten Pumpenhaus, abgefahrener Begegnungsort für Kreative, trafen sich Künstler und Filmemacher. Im Wohnhaus leben acht Mieter, alle Nachfahren von Angestellten der einstigen Wiesenburg. Auch Joachim Dumkows Mutter Anna-Christin, eine 76-jährige Diva, die jeden Gast umarmt. Seit Jahren macht sie zusammen mit dem Quartiersmanagement Pankstraße und Kindern der Humboldthain-Grundschule Kunstprojekte in der Wiesenburg.
Anna-Christin Dumkow hatte 1961 die Verwaltung der Wiesenburg für den Asyl-Verein übernommen, deren Vorsitzende sie auch war. Jahrzehntelang gab es zwischen dem Verein und dem Senat einen Rechtsstreit. Wie Joe Dumkow sagt, wurde dem Verein 2004 die Gemeinnützigkeit aberkannt.
Seit 2012 steht das Land Berlin im Grundbuch. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Degewo hat das Gelände vergangenen November übernommen. Am 2. April ließ die Degewo große Teile der Ruinen sperren. Aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht, wie Degewo-Sprecher Lutz Ackermann sagt. Viele Jahrzehnte lang haben die Nutzer und Unterstützer der Wiesenburg in unzähligen Arbeitseinsätzen die Ruinen gesichert, den Garten auch mit Schülern gestaltet und das Areal zu einer Kunstoase gemacht. "Jetzt dürfen wir nur noch den Wohnhof und die Auffahrt nutzen", sagt Joachim Dumkow. Wie es weitergeht, weiß derzeit niemand. Ackermann sagt, es werden jetzt Gutachten zur Bausubstanz eingeholt und Nutzungskonzepte erarbeitet. Die Mieter und Ateliernutzer könnten bis auf einen Bereich, der gesperrt wird, bleiben. "Wir sind uns der Bedeutung des Ortes bewusst", so Ackermann.
Die historischen Gebäude sollen erhalten und das Gelände behutsam unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten saniert werden. Ob das teure Schickimicki-Galerien in aufgepeppten Ruinen bedeutet, wollte er nicht sagen. Anna-Christin Dumkow hat Sorge, dass sie ihre Schülerprojekte nicht mehr fortführen kann. Die Wiesenburg wird nie wieder das sein, was sie jahrzehntelang war. Ein freier Ort der Kunst und Kultur in bezaubernder Umgebung.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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