Degewo sperrt große Teile der Kunstoase ab

Joachim Dumkow in der inzwischen geschlossenen "UnbezahlBAR" der Wiesenburg. | Foto: Jericho
7Bilder
  • Joachim Dumkow in der inzwischen geschlossenen "UnbezahlBAR" der Wiesenburg.
  • Foto: Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Gesundbrunnen. Die Wiesenburg in der Wiesenstraße 55 gehört jetzt der Wohnungsbaugesellschaft Degewo. Sie hat große Teile des seit Jahrzehnten von Künstlern genutzten Areals gesperrt. Die fürchten um den Verlust eines einzigartigen Ortes.

Für Fotografen und Filmleute ist die Wiesenburg, ein 1896 für 700 Männer gebautes und später mit 400 Frauenschlafplätzen erweitertes Aysylheim, eine Top-Location. Hier wurden etliche Filme gedreht. Szenen der "Blechtrommel" von Volker Schlöndorff zum Beispiel, oder 1930 Sequenzen des Fritz-Lang-Films "M - Eine Stadt sucht einen Mörder". Joachim Dumkow hat vor ein paar Jahren den Originalscheinwerfer auf dem Gelände gefunden. Joe Wiesenburger, wie er sich auf Facebook nennt, ist in der Wiesenburg aufgewachsen. Der 48-Jährige kennt jeden Winkel des Areals und führt gern Besucher durch die Ruinen.

Bis auf das Wohnhaus für die Bediensteten wurden im Zweiten Weltkrieg fast alle Gebäude zerbombt. In den früheren Schlafsälen auf dem über ein Hektar großen Gelände fehlen überall die Decken. Bäume sind im Gemäuer gewachsen, ein Märchenwald in Ruinen. Die Nazis hatten hier Reichsflaggen gedruckt und zuletzt Munition hergestellt.

Seit Jahren nutzen Künstler die hintere Halle des einstigen Frauenasyls als Tanz-, Proben- und Werkstatträume. In der "UnbezahlBAR" im alten Pumpenhaus, abgefahrener Begegnungsort für Kreative, trafen sich Künstler und Filmemacher. Im Wohnhaus leben acht Mieter, alle Nachfahren von Angestellten der einstigen Wiesenburg. Auch Joachim Dumkows Mutter Anna-Christin, eine 76-jährige Diva, die jeden Gast umarmt. Seit Jahren macht sie zusammen mit dem Quartiersmanagement Pankstraße und Kindern der Humboldthain-Grundschule Kunstprojekte in der Wiesenburg.

Anna-Christin Dumkow hatte 1961 die Verwaltung der Wiesenburg für den Asyl-Verein übernommen, deren Vorsitzende sie auch war. Jahrzehntelang gab es zwischen dem Verein und dem Senat einen Rechtsstreit. Wie Joe Dumkow sagt, wurde dem Verein 2004 die Gemeinnützigkeit aberkannt.

Seit 2012 steht das Land Berlin im Grundbuch. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Degewo hat das Gelände vergangenen November übernommen. Am 2. April ließ die Degewo große Teile der Ruinen sperren. Aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht, wie Degewo-Sprecher Lutz Ackermann sagt. Viele Jahrzehnte lang haben die Nutzer und Unterstützer der Wiesenburg in unzähligen Arbeitseinsätzen die Ruinen gesichert, den Garten auch mit Schülern gestaltet und das Areal zu einer Kunstoase gemacht. "Jetzt dürfen wir nur noch den Wohnhof und die Auffahrt nutzen", sagt Joachim Dumkow. Wie es weitergeht, weiß derzeit niemand. Ackermann sagt, es werden jetzt Gutachten zur Bausubstanz eingeholt und Nutzungskonzepte erarbeitet. Die Mieter und Ateliernutzer könnten bis auf einen Bereich, der gesperrt wird, bleiben. "Wir sind uns der Bedeutung des Ortes bewusst", so Ackermann.

Die historischen Gebäude sollen erhalten und das Gelände behutsam unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten saniert werden. Ob das teure Schickimicki-Galerien in aufgepeppten Ruinen bedeutet, wollte er nicht sagen. Anna-Christin Dumkow hat Sorge, dass sie ihre Schülerprojekte nicht mehr fortführen kann. Die Wiesenburg wird nie wieder das sein, was sie jahrzehntelang war. Ein freier Ort der Kunst und Kultur in bezaubernder Umgebung.

Dirk Jericho / DJ
Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 1.904× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 2.559× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 2.181× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 2.545× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 3.442× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.