Wiesenburger befürchten Verdrängung: Degewo sperrt Ateliers im einstigen Asylheim / Künstler schalten Anwälte ein

Wiesenburg-Bewohner und Chef des Vereins Robert Bittner vor den abgesperrten Künstlerateliers. Mittlerweile sind die meisten Zäune wieder weg. | Foto: Dirk Jericho
3Bilder
  • Wiesenburg-Bewohner und Chef des Vereins Robert Bittner vor den abgesperrten Künstlerateliers. Mittlerweile sind die meisten Zäune wieder weg.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Gesundbrunnen. Nach der Übernahme der einzigartigen Wiesenburg in der Wiesenstraße 55 durch die Wohnungsbaugesellschaft Degewo vor einem Jahr verschärft sich der Konflikt mit den langjährigen Mietern der Denkmalruine. Die Degewo hat Ende November bis auf das Wohnhaus alle Bereiche gesperrt. Nach Protesten wurden sie jetzt wieder freigegeben.

Bildhauer, Metallbaukünstler, Maler oder Tänzer - die langjährigen Mieter der acht Ateliers im ehemaligen Frauenasyl konnten tagelang nicht mehr an ihre Arbeitsplätze. Nach weitgehenden Sperrungen auf dem 12 000 Quadratmeter großen Areal im März hatte die Degewo jetzt alles mit Bauzäunen dichtgemacht. Begründet wird dies mit „Gefahr für Leib und Leben“, wie den Mietern am 26. November mitgeteilt wurde. Im Zuge „weiterer Untersuchungen und Begehungen der Kellerbereiche“ hätten Statiker festgestellt, dass sie einsturzgefährdet sind. „Bei einem Einsturz von Kappendecken in ungesicherten Bereichen ist mit einem Dominoeffekt zu rechnen“, heißt es. Die Degewo hatte zuvor einen Kellerbereich bereits mit über 200 Stützen gesichert. Zudem mussten vom alten Schornstein wegen Einsturzgefahr vier Meter abgebaut werden. Auch deshalb hätten die Atelierzugänge aus Sicherheitsgründen gesperrt werden müssen, so Cordula Fay von der Degewo.

Am 15. Dezember hat die Degewo nach Protesten die meisten Ateliers wieder freigegeben. „Im Dominoeffekt krachte die Keller-Argumentation der Degewo zusammen“, schreiben die Wiesenburger auf ihrer Facebookseite. Die Künstler und Mieter, die sich nach der Degewo-Übernahme im Verein „Die Wiesenburg“ organisiert haben, befürchten dennoch dauerhafte Verdrängung. Dass die Gebäude „großflächig plötzlich zusammenbrechen könnten“, zweifelt Vereinschef Robert Bittner an. Der Filmemacher wohnt auf der Wiesenburg und kennt fast jeden Stein in den Ruinen. Jahrzehntelang haben die Nutzer und Unterstützer der Wiesenburg in unzähligen Arbeitseinsätzen die Ruinen gesichert und das Areal zu einer international bekannten Kunstoase gemacht. Bittner sagt, die Gutachten gebe es gar nicht, mit denen die Degewo die Komplettsperrung begründet hatte. Der Verein hat jetzt Anwälte eingeschaltet und sammelt Geld für kommende Rechtsstreitigkeiten. Der Chef des BVV-Bauausschusses, Frank Bertermann (Grüne), sagte bei einem Besuch der Wiesenburg am 9. Dezember: „Die Degewo soll mit den Leuten zusammenarbeiten anstatt sie obdachlos zu machen.“ Die BVV hatte im Oktober beschlossen, die „Wiesenburg als soziokulturellen Standort im QM-Gebiet Pankstraße zu sichern.“ Verein und QM sollen in die Planungen einbezogen werden. „Wir werden den Ort für nachbarschaftliche und soziale Aktivitäten im Quartier ausbauen“, sagt Degewo-Sprecher Lutz Ackermann. Die aktuellen Sperrungen hätten nichts mit der Zusage zu tun, gemeinsam mit allen Akteuren ein Nutzungskonzept zu erarbeiten. Im Januar soll dazu ein Workshopverfahren starten. „Wir haben den Auftrag, die Wiesenburg für Künstler zu erhalten“, so Ackermann.

Nach einem jahrzehntelangen Rechtsstreit mit dem Berliner Asyl-Verein für Obdachlose ist das Areal der Wiesenburg seit 2012 Landesvermögen. Die Degewo soll das Gelände denkmalgerecht sanieren. Die Gewerbemieter befürchten, dass teure Schickimicki-Galerien in aufgepeppten Ruinen entstehen und sie verdrängt werden. Erbaut wurde die Wiesenburg 1896 vom Berliner Asyl-Verein für Obdachlose, den Berliner Bürger wie Rudolf Virchow, Paul Singer oder die Industriellen Borsig und Boll gegründet hatten. Bis zu 700 Männer und 400 Frauen fanden in den Räumen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs Asyl. Bis 1933 diente es der jüdischen Gemeinde als Heim. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude teilweise zerstört. In den Ruinen wurden etliche Filme wie die „Blechtrommel" von Volker Schlöndorff Sequenzen des Fritz-Lang-Films „M - Eine Stadt sucht einen Mörder" gedreht. DJ

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 1.895× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 2.552× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 2.175× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 2.538× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 3.436× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.