Mahd im Mahnfeld: Roggenfeld im früheren Grenzstreifen wurde geerntet

Ernte im einstigen Todesstreifen. Techniker der Humboldt-Universität mähen das Roggenfeld rund um die Kapelle der Versöhnung an der Bernauer Straße. | Foto: Dirk Jericho
6Bilder
  • Ernte im einstigen Todesstreifen. Techniker der Humboldt-Universität mähen das Roggenfeld rund um die Kapelle der Versöhnung an der Bernauer Straße.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Mitte. Rund um die Kapelle der Versöhnung inmitten der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße bestellen Ackerbaustudenten seit Jahren ein Feld. Der Roggen wird auch zu Friedensbrot verarbeitet.

Immer wieder muss Heiko Störmer von seinem kleinen Wintersteiger-Parzellenmähdrescher springen, um die Ährenheber gerade zu biegen. Die Mahd auf dem 2000 Quadratmeter großen Feld rund um die Versöhnungskapelle ist für den Techniker der Lehr- und Forschungsstation für Pflanzenbauwissenschaften der Humboldt-Universität (HU) nicht ganz einfach; im Boden markieren Metallstreifen die einstigen Grenzsicherungsanlagen, an denen der Mähdrescher hängenbleibt. Der Original-Postenweg geht mitten durchs Feld. Und senkrecht stehende Stahlträger symbolisieren die früheren Zaunpfeiler. Außerdem liegen im Boden Metallschienen, die den Grundriss der 1985 gesprengten Versöhnungskirche nachzeichnen.

Als Kunstprojekt begonnen

Die Getreideernte hier ist auch keine wie auf landwirtschaftlichen Flächen. Touristen zücken ihre Handys, wenn der Mähdrescher um die Kirche kurvt. Das Roggenfeld ist nicht dazu da, um Korn für die Lebensmittelindustrie zu produzieren. Das Feld im ehemaligen Todesstreifen an der Bernauer Straße wurde 2006 als Kunstprojekt angelegt. Die Idee dazu hatte der Bildhauer und Steinmetz Michael Spengler. Der Kirchenälteste der Versöhnungsgemeinde wollte mit dem Kornfeld das Wachsen, Gedeihen und Vergehen darstellen.

Professor Frank Ellmer von der Humboldt-Universität hatte das Roggenfeld beim Vorbeiradeln gesehen und gefragt, was mit dem Getreide wird. Seitdem kümmern sich seine Landwirtschaftsstudenten um die Aussaat, Pflege und Ernte. In diesem Jahr haben drei Bachelor-Studenten vom Studiengang Agrarwissenschaften das Grenzstreifen-Getreide zu ihrem Studienprojekt gemacht. Die Studenten nutzen das Minifeld für ihre Forschungen, analysieren Bodenproben auf dem Kirchenacker oder berechnen Erträge. Besonders viel kommt nicht raus; etwa die Hälfte wie auf industriell genutzten Flächen. Im Mauerstreifen wird klassischer Roggen der Sorte Conduct angebaut und kein Hybridroggen, erklärt Pflanzenbauprofessor Ellmer. Gedüngt wird nur wenig mit Mineralstickstoff. Pflanzenschutzmittel werden kaum verwendet. Ein Problem ist auch der Boden, der beim Bau der Gedenkstätte ausgetauscht wurde. Der neue ist sehr kompostreich und gut für Rabatten und Wiesen, aber eher schlecht für den Roggen.

Friedensbrot backen

Etwa 400 Kilogramm Korn werden es diesmal, schätzt HU-Professor Frank Ellmer, Leiter des Fachgebietes Acker- und Pflanzenbau. Den größten Teil der Roggenernte bringen die HU-Studenten auch diesmal zurück zur Versöhnungsgemeinde, nachdem sie die Körner gereinigt haben. Ein Biobäcker verarbeitet das Getreide zu Brot oder Oblaten für die Feier des Abendmahls. Besucher können kleine Leinensäcke mit dem symbolträchtigen Korn gegen eine Spende in der Kapelle der Versöhnung bekommen.

Das Roggenfeld um die Versöhnungskapelle ist auch Teil eines europaweiten Friedensprojektes. Ackerbau-Professor Frank Ellmer ist Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Friedensbrot, der 2012 gegründet wurde. In zehn weiteren Ländern Mittel- und Südeuropas, die nach 1989 der Europäischen Union beigetreten sind, werden mittlerweile an symbolträchtigen Orten des Kalten Krieges die Äcker bestellt. Alle Mitgliedsländer des Friedensbrot-Vereins schicken jedes Jahr zehn Kilogramm in das Land, in dem die jährliche Friedensbrotkonferenz stattfindet. In diesem Jahr wird der Berliner Roggen im ungarischen Szarvas mit dem der anderen Länder gemischt, gemahlen und zu einem gemeinsamen Friedensbrot verbacken. DJ

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 851× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 364× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 695× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 774× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 348× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.