Bahngeschichte im U-Bahn-Klo
Frühere unterirdische Toilette am Bahnhof Gesundbrunnen ist jetzt Ausstellungsort

Matthias Hiller (links) vom Berliner S-Bahn-Museum und Dietmar Arnold vom Verein Berliner Unterwelten in  der unterirdischen Toilettenanlage.  | Foto: Dirk Jericho
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  • Matthias Hiller (links) vom Berliner S-Bahn-Museum und Dietmar Arnold vom Verein Berliner Unterwelten in der unterirdischen Toilettenanlage.
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Bis vor 15 Jahren konnte man dort sein Geschäft verrichten, jetzt ist die unterirdische Toilettenanlage aus den 1930er-Jahren ein einzigartiger Ausstellungsort. Die Berliner Unterwelten haben das vergessene Bahnhofsklo unter der Behmstraße saniert.

Auf dem Mittelstreifen der Behmstraße an der Kreuzung Badstraße gehts die Treppe nach unten. Wo einst "Herren- und Damen-WC" stand, prangt „Ausstellung im Untergrund“ auf dem Schild.

Die unterirdische Anlage wurde mit dem U-Bahnbau 1930 auf der Tunnelröhre errichtet. Über 70 Jahre konnten die Berliner dort ein dringendes Bedürfnis los werden und der Wärterin ein paar Groschen auf den Teller werfen. Die nannte sich wirklich so, wie auf alten Plänen steht. „Wärterin“, nicht Wärter, ist auf der Skizze über dem kleinen Kabuff eingetragen, in dem die Klofrau saß. Durch Fenster konnte sie die Frauen- und Männer-Aborte einsehen, damit niemand Verbotenes macht. Denn die Toilettenanlage am Bahnhof Gesundbrunnen wurde auch gern von Fixern und Homosexuellen genutzt, wie Dietmar Arnold berichtet.

Der Chef des Vereins Berliner Unterwelten kennt Berlin von unten am besten. Das Unterwelten-Museum befindet sich auf der anderen Seite des U-Bahnhofs Gesundbrunnen, ebenfalls genau über dem U-Bahn-Schacht, im ehemaligen Luftschutzbunker. Das unterirdische Klo hat Arnold als Weddinger selbst oft benutzt. Als die Firma Wall die Anlage 2003 geschlossen hat (die Wall AG hat viele Jahre die öffentlichen Toiletten im Bezirk betrieben), dachte Arnold, dort müsste man etwas draus machen.

Am 17. Juni 2017 wurde das einstige Bahnhofsklo als Ausstellungsort eröffnet. 100 000 Euro hat der Unterwelten-Verein investiert, um das marode Bauwerk zu entkernen, Wände rauszureißen, die Technik wie die Hebeanlage zu erneuern und auch eine neue Toilette für Ausstellungsbesucher einzubauen. Natürlich keine vom Baumarkt, sondern „mit den Originalkabinen aus dem Fichtebunker in Kreuzberg“, sagt Arnold.

Die Umrisse der alten Klos sind auf den originalen Bodenfliesen noch zu erkennen. Die Damen hatten sieben, die Männer fünf Schüsseln. Im einstigen Männerpissoir halten die Unterwelten-Experten jetzt Vorträge. Damit jeder weiß, dass sich dort mal Männer an der Pissrinne erleichterten, plätschert auf Knopfdruck noch die Dauerspülung. „Unsere Wasserspiele“ nennt Arnold das.

In einer Kooperation mit dem Berliner S-Bahn-Museum läuft seit Monaten eine spannende Ausstellung im 140 Quadratmeter großen Bahnhofs-WC. „Ein toller Ort“, sagt Matthias Hiller vom S-Bahn-Museum, der ein Mal im Monat die Eisentore aufschließt und ehrenamtlich durch die Ausstellung „Die Nordsüd-S-Bahn – Berlins erste und einzige unterirdische S-Bahnstrecke“ führt. Auf den Tafeln gibt es auch spannende Informationen zum Bahnhof Gesundbrunnen und Fotos vom imposanten und im Krieg zerstörten Eingangsportal und dem eher schlichten 1965 gebauten Empfangsgebäude. Die originale Leuchtschrift „Gesundbrunnen“ vom Bahnhofsgebäude, das 1996 für den Bahnhofsneubau mit dem Gesundbrunnen-Center abgerissen wurde, hängt in der unterirdischen Ausstellung. Für die Restaurierung der Buchstaben sammelt der Verein Spenden.

Die unterirdische Toilettenanlage ist wieder am 30. Juni von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Die Ausstellung „Die Nordsüd-S-Bahn“ zeigt mit vielen Bildern, Plänen und Texten die Geschichte von Bau, Zerstörung, Überflutung 1945 bis zu den Geisterbahnhöfen zu Mauerzeiten und gibt einen Ausblick über zukünftige Streckenerweiterungen. Bahn-Experte Matthias Hiller kann auch alles über den ungewöhnlichen Ausstellungsort erzählen. Weitere Termine: 28. Juli, 25. August, 29. September, 27. Oktober, 24. November, 29. Dezember. Tickets kosten zwei, ermäßigt einen Euro.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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