Marmorstier wieder aufgetaucht
Skulptur von Ernst Moritz Geyger galt 74 Jahre lang als verschollen
Der Verein Berliner Unterwelten hat den verschollenen „Weißen Stier vom Humboldthain“ gefunden und will die Skulptur restaurieren und am Originalort auf der Wiese im Volkspark Humboldthain aufstellen.
Es soll ein beliebter Treffpunkt für turtelnde Liebespärchen gewesen sein. Auf dem Sockel der überlebensgroßen Marmorskulptur „Weißer Stier“ haben sich Verliebte gern getroffen und die Idylle im Humboldthain genossen. Die naturalistisch gestaltete Stierskulptur – vier Meter lang, drei Tonnen schwer – stand seit 1901 auf einem kleinen Hügel vor der Großen Wiese im Volkspark Humboldthain. Die Plastik ist wie viele Kunstwerke im Krieg zerstört worden und galt seit 1948 als verschollen.
70 Zentimeter unter der Erde
Das Ende seines weißen Marmorstiers hat der Berliner Künstler Ernst Moritz Geyger nicht mehr miterlebt. Der 1861 in Rixdorf geborene Maler und Bildhauer starb 1941 in Florenz. Jetzt hat Berlins oberster Maulwurf Dietmar Arnold die verschollene Tierskulptur nach 74 Jahren 70 Zentimeter unter der Erde wiedergefunden – und zwar dort, wo sie einst stand. Der Unterwelten-Chef und Geschichtsforscher hatte, angestachelt durch einen Artikel im Weddinger Brunnen-Magazin, in Archiven recherchiert.
Im bpk-Archivfand Arnold ein Foto von Friedrich Seidenstücker aus dem Jahre 1930. Irgendwer hatte handschriftlich „Humboldthain, 1930, Stier (Geyger), zerstört, an derselben Stelle vergraben!“ auf die Rückseite gekritzelt. Während viele Bronzeskulpturen wie auch ein Geyger-Stier im Dresdener Rosengarten im Krieg eingeschmolzen wurden, „wurde Marmorbruch damals als mehr oder weniger wertlos erachtet“, weiß der Gründer des Vereins Unterwelten, der seit 1997 historische, meist unterirdische Bauten in Berlin erforscht und sich um deren Erhalt kümmert.
Beine und Hörner fehlen noch
Nach geophysikalischen Erkundungen war schnell klar, wo der Marmorstier im Humboldthain liegt. Mit Bagger, Schaufel und Pinsel legen Archäologin Claudia M. Melisch und ihr Team derzeit den Stierkörper frei. „Der archäologische Wert ist unersetzlich“, sagte Melisch, als sie schon Kopf, Körper, Sockel und Bodenplatte freigelegt hatte. Das Team ist sich sicher, dass es die fehlenden Teile wie Beine und Hörner ebenso findet.
Dietmar Arnold will das Kunstwerk restaurieren und, wenn möglich, im Rahmen eines archäologischen Fensters am Originalort wieder aufstellen. Der Verein hofft auf die Unterstützung des Landesdenkmalamtes. „Das wäre auch ein schönes Zeichen für im Krieg zerstörte Kunstwerke. Auch in der Ukraine werden gerade Hunderte Denkmäler zerschossen“, so Arnold.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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