Bezirksverordnete wollen im Haus der Volksbildung ein Stadtteilzentrum einrichten
Das seit fast zehn Jahren so gut wie leerstehende Haus der Volksbildung an der Badstraße 10 unweit vom Bahnhof Gesundbrunnen soll ein „Kiezhaus“ werden. Das möchte das Quartiersmanagement (QM) Badstraße.
Erst vor kurzem hatte sich der Ausschuss Soziale Stadt das imposante Gebäude mit dem Säulenportal angeschaut. „Wir unterstützen die Idee eines Stadtteilzentrums“, twitterte der Grünen-Bezirksverordnete Taylan Kurt danach. QM-Managerin Özlem Ayaydinli möchte das Gebäude zum „multifunktionalen Kiezhaus“ machen. Die Quartiersräte plädieren dafür, die Räume für Gruppen, Veranstaltungen und Projekte zu nutzen. „Auch ein Kiezcafé wäre schön“, sagt Ayaydinli.
Doch vorher muss das denkmalgeschützte Haus saniert werden. Von Sanitär über Heizung bis Elektrik muss alles neu gemacht werden. Auch ein Fahrstuhl soll rein. Özlem Ayaydinli schätzt die Kosten auf mehrere Millionen Euro. Geld dafür gibt es bisher nicht. Bis ein langfristiges Konzept steht, würden die Kiezinitiativen das Haus schon so nutzen wollen.
„Das Gebäude ist ganz gut in Schuss“, sagt die QM-Managerin. Im Erdgeschoss gibt es einen Jugendclub. Vor allem Halbwüchsige und junge Erwachsene treffen sich dort zum Billard oder Kickern. Weil viele Jugendliche aus Bulgarien kommen, wird der Club auch Bulgarenclub genannt. Schüler der Willy-Brandt-Schule direkt hinter dem einstigen Haus der Volksbildung nutzen ebenfalls das Angebot.
Den kommunalen Jugendclub in der Badstraße 10 gibt es seit den 1980er-Jahren. Er war bis vor sieben Jahren im ersten Obergeschoss des Vorderhauses untergebracht. Weil der Bezirk das Gebäude an den damaligen Liegenschaftsfonds abgeben wollte, um Kosten zu sparen, musste der Jugendclub 2010 ins Hinterhaus ziehen und sich die Räume mit Schülern der Willy-Brandt-Oberschule teilen. Früher waren im Vorderhaus auch das Gesundheitsamt und die Musikschule untergebracht. Seit ein paar Jahren stehen die Etagen leer. Weil das Haus nicht an den Senat abgegeben wurde, konnte der Jugendclub 2014 wieder ins Vorderhaus ziehen und belegt jetzt das Erdgeschoss. Im Gebäude gibt es noch die Hausmeisterwohnung im Dachgeschoss, in der die 85-jährige Urenkelin von Otto Wels lebt. Der legendäre SPD-Politiker der Weimarer Republik sagte 1933 in der letzten freien Rede im Deutschen Reichstag zur Begründung der Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes der NSDAP den berühmten Satz: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“
Im vergangenen Jahr gab es Überlegungen, das Haus der Volksbildung für das geplante Forum für Berufsorientierung „Talente Check Berlin“ auszubauen. Für den Jugendclub wäre das das Aus gewesen. Das Testzentrum nach dem Vorbild des Talente-Checks in Salzburg, in dem Schüler und Erwachsene an über 30 Stationen erkunden sollen, wo ihre Talente und Potenziale liegen, wird jetzt in der Charlottenburger Jugendberufsagentur in der Königin-Elisabeth-Straße eingerichtet. 1000 Quadratmeter werden dort für den Parcours und Showroom umgebaut. Der Bezirk hatte sich damals gegen eine mögliche Verdrängung des Jugendclubs gewehrt, weil er im QM-Gebiet Badstraße dringend benötigt wird.
„Der Jugendclub bleibt auf jeden Fall“, sagt Jugendstadträtin Sandra Obermeyer (für Die Linke) zu den jetzigen Plänen. Das Gebäude könne zukünftig auch als Bürostandort oder für betreute Jugendwohnungen genutzt werden.
Das Haus der Volksbildung an der Badstraße wurde von 1913 bis 1915 nach Plänen von Ludwig Hoffmann erbaut. Der Architekt und Stadtbaurat hat auch den Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain, die Volksbadeanstalt Oderberger Straße, das Märkische Museum und das Alte Stadthaus entworfen. In der Denkmaldatenbank des Landesdenkmalamtes heißt es: „Das viergeschossige städtische Verwaltungsgebäude Badstraße 10-10A, heute Haus der Volksbildung, wiederholt den strengen, antikisierenden Fassadenaufbau der benachbarten Berufsschule, wirkt aber noch monumentaler. Mit seinem hohen Walmdach beherrscht es den Straßenraum und den gegenüberliegenden Blochplatz. Die unteren Geschosse sind mit einer kolossalen Pilaster- und Säulenordnung aus grauem Muschelkalk hervorgehoben. Eckpfeiler vermitteln zum zurückgesetzten mittleren Wandabschnitt, der mit dorischen Säulen hervorgehoben ist“. Im Erdgeschoss waren ursprünglich eine Rettungswache und Schulküche untergebracht. In den oberen Stockwerken gab es eine öffentliche Bücherei, eine Steuerannahmestelle, die Wohnung des Direktors der 8. Pflichtfortbildungsschule und zwei kleinere Wohnungen für städtische Beamte. DJ
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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