"Wir haben das alles selbst angestoßen"
Interview mit Jochen Uhländer über das Olof-Palme-Zentrum und das Brunnenviertel
Das Olof-Palme-Zentrum hat Karriere gemacht – vom Nachbarschaftstreff zum Stadtteilzentrum. Was das bedeutet und warum der ganze Kiez auf eine Vision wartet, darüber spricht Leiter Jochen Uhländer mit Berliner-Woche-Reporterin Ulrike Kiefert.
Herr Uhländer, die Plakette hängt zwar noch nicht, aber viele wissen es schon. Das Olof-Palme-Zentrum ist offiziell zum Stadtteilzentrum aufgestiegen. Was bedeutet das für Ihr Team?
Jochen Uhländer: Wir haben uns darüber sehr gefreut. Wir verstehen das als Wertschätzung des Senats. Dafür, dass wir mit wenigen Mitteln gute Arbeit leisten. Ein kleiner Nachbarschaftstreff sind wir allerdings nie gewesen mit unseren vielen Angeboten. Als Stadtteilzentrum bekommen wir nun aber mehr Geld, konnten bereits eine neue Sozialarbeiterin einstellen und neue Angebote machen.
Was für neue Angebote sind das?
Jochen Uhländer: Eine Erstberatung zu allen möglichen Problemen zum Beispiel. Dank der neuen Sozialarbeiterin sind jetzt auch mehr Vormittagsangebote möglich. Der Selbstverteidigungskurs mit einem ehemaligen Weltmeister ist neu und die Kiezspaziergänge. Unser fünfköpfiges Team kann jetzt selbst Angebote machen, je nachdem, was hier im Brunnenviertel gewünscht ist. Bisher war unser Haus nur die 'Hülle' für andere Vereine. Die haben unsere Räume für ihre Veranstaltungen genutzt. Miete mussten sie dafür nicht bezahlen. Das ist Haltungssache bei uns und so wird es auch bleiben. Wir wollen künftig aber mehr berlinweite Themen aufgreifen, wie Klimaschutz oder Suchtprävention. Der Kleintierzuchtverein aus Reinickendorf kommt bei uns also nicht rein, das Haus Phönix in Pankow dagegen schon.
Der neue Status ist aber nicht die einzige Neuigkeit. Wie gehen die Bauarbeiten für den Neubau nebenan voran?
Jochen Uhländer: Der wächst in die Höhe, wie ich sehe, und liegt hoffentlich im Zeitplan. Denn wir brauchen mehr Platz, unsere Räume sind für ein echtes Stadtteilzentrum viel zu knapp geworden. Wir haben ja auch einen Jugendclub im Haus. Früher war das Olof-Palme-Zentrum ein reines Jugendzentrum. 2012 wurde es abgerissen, neu gebaut und im Herbst 2015 als Nachbarschaftstreff für alle Generationen wiedereröffnet. Ich habe den Treff ab dem Sommer 2016 inhaltlich aufgebaut, seit 2017 bin ich Stadtteilkoordinator der Region Brunnenstraße Nord und seit diesem Jahr leite ich das Stadtteilzentrum gemeinsam mit Tine Sieben. Wir planen, mit den Erwachsenenangeboten komplett in den Neubau umzuziehen. Die Jugendlichen bleiben im Altbau und haben die Räume dort endlich für sich allein. Grenzen gibt es trotzdem keine, alle können alle Räume bei Bedarf mit nutzen.
Wann wird das neue Haus denn fertig?
Jochen Uhländer: Ende 2025. Wenn alles gut läuft, vielleicht schon früher im September. Das Richtfest feiern wir noch in diesem Jahr. Der Termin steht mit dem 15. November bereits fest. Finanziert wird der Neubau als 'Ressortübergreifende Gemeinschaftsinitiative' der Senatsverwaltungen mit knapp vier Millionen Euro. Wenn der Neubau steht, machen wir die Plakette des Stadtteilzentrums ran.
Mit dem neuen Haus erfüllt sich aber auch eine Vision, auf die das Brunnenviertel schon länger wartet.
Jochen Uhländer: Wenn Sie das so sehen, ja, es ist eine Vision. Die Vision, dass Menschen ihre Nachbarschaft gemeinsam positiv verändern, mit dem Olof-Palme-Zentrum als Ankerpunkt. Das Quartiersmanagement im Kiez hatte die Idee schon vor meiner Zeit, ein Campus mit der benachbarten Vineta-Grundschule, dem Familienzentrum und dem Hort auf einem Grundstück. Das wird mit dem Neubau passieren, mehr Platz und Angebote für alle. Der Zaun zwischen dem Olof-Palme-Zentrum und der Grundschule wird abgerissen und kein Schüler muss mehr heimlich rüberklettern, wenn er in unseren Garten will.
Was ist so toll an dieser Vision?
Jochen Uhländer: Das Tolle ist, wir haben das alles selbst angestoßen. Von unten, nicht von oben. Das geht, weil wir uns hier alle kennen und gut vernetzt sind. Wir kennen die Kinder, wir kennen ihre Eltern, warum also nicht ein ganzheitliches Angebot für die Familien schaffen? Die Lehrer können das allein nicht leisten. Also machen wir das alle zusammen. Senioren lesen den Kindern vor, der Brunnenviertel-Verein nimmt sie auf seinen historischen Führungen mit, der Verein Essbare Straße stellt ihnen sein Projekt vor und so weiter. Bei uns können die Kids ihre Hausaufgaben machen, finden Ruhe oder toben sich aus. Wir schaffen ihnen eine riesige Welt an Möglichkeiten. Wie heißt das Sprichwort doch gleich, es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen. Nur gemeinsam verbessern wir ihr Leben, ihre Chancen auf Bildung, einen guten Schulabschluss und einen guten Job. Darum geht es doch. Wir nehmen die Kinder mit, von der Kita bis zur Ausbildung. Dann haben ihre Eltern auch keinen Grund mehr, sie in eine Schule in Prenzlauer Berg zu schicken.
Sie sprechen mit viel Leidenschaft.
Jochen Uhländer: Ja, ich bin mit Herzblut dabei. Deshalb verstehe ich auch vieles nicht. Warum man das Quartiersmanagement wieder abschafft, zum Beispiel. Das löst doch die eigentlichen Probleme nicht. Fehlende Jobs, geringe Löhne, zu hohe Mieten. Die bleiben doch, genau wie die Menschen hier. Es sei denn, man setzt bewusst auf die Gentrifizierung, damit die 'Problemkieze' ganz von allein verschwinden. Und warum muss man freien Trägern so viele Steine in den Weg legen? Warum dauert immer alles so lange, und weshalb scheinen Slogans oft wichtiger als Inhalte? Sie merken schon, ich lege den Finger gern auf die Wunde, aber nur, weil ich an der Sache arbeiten und es besser machen will. Darum spreche ich klare Worte, wegen der Sache.
Wohnen Sie eigentlich im Brunnenviertel?
Jochen Uhländer: Nein, ich wohne mit meiner Frau und meinen zwei Kindern in Steglitz. Würde ich hier leben, wäre ich der Dorfpfarrer, aber das bin ich nicht. Arbeit ist Arbeit, Privates privat. So kann ich abschalten. Ans Aufhören habe ich nie gedacht. Es gab aber in den Jahren viel Frust, der hält auch bis heute an. Die Gründe habe ich Ihnen genannt. Und dennoch, an meiner Arbeit und den Menschen hier hängt mein Herz.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.