Die Geschichte hinter der geplanten Straßenumbennennung
Erna Koschwitz, eine Laube und der Elkartweg
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat im August dieses Jahres den Beschluss gefasst, den Elkartweg in Erna-Koschwitz-Weg umzubenennen. Am 15. November sollte die Enthüllung des neuen Straßenschildes stattfinden. Doch der Termin ist geplatzt.
Es habe Einsprüche gegeben, bestätigt Professor Erich Wettwer. Das Rechtsamt von Spandau müsse sie jetzt prüfen. Dies dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen. Erich Wettwer hat nach eigenen Angaben den Vorschlag für die Umbenennung des Elkartwegs in Erna-Koschwitz-Weg gemacht.
Bei den Einwänden geht es unter anderem darum, dass Adressen geändert werden müssten. Unterschwellig scheint auch bei manchen die Ansicht vorzuherrschen, es sollte irgendwann einmal Schluss sein mit "diesen Geschichten". Damit ist die Zeit des Nationalsozialismus gemeint.
Karl Elkart (1880-1959), Architekt und Stadtplaner wirkte während des "Dritten Reichs" in Hannover und war als Stadtbaurat unter anderem für die Zwangsumsiedlung von Juden oder den Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen verantwortlich. Ab 1918 war er für zwei Jahre als Stadtbaurat in Spandau tätig. Als die Stadt 1920 ein Berliner Bezirk wurde, gab er diesen Posten auf. Erkennbare Spuren hat er nicht hinterlassen. Obwohl Elkart höchstens eine Fußnote in der Spandauer Stadtgeschichte war, wurde er 1960 Namensgeber der Privatstraße. Seine Untaten während der Nazizeit wurden, wie in anderen Fällen erst Jahrzehnte später ein Thema. Die Stadt Hannover hat 2015 ihre Elkartallee umbenannt.
In Spandau fasste die BVV im März 2011 den Beschluss zur Umbenennung. Doch die dort rund 20 ansässigen Vereine konnten sich nicht auf einen neuen Namen einigen, sodass 2015 der Bezirk dazu aufrief, Vorschläge einzureichen. Erich Wettwer schlug den Namen Erna Koschwitz vor.
Wer war Erna Koschwitz? Und was verbindet Erich Wettwer mit dieser Frau? Bei den Antworten auf diese Fragen spielt eine Laube im Gebiet um den Elkartweg eine wichtige Rolle. Erna Koschwitz, geboren 1897, war bereits im Kaiserreich in der Jugend- und Sozialarbeit engagiert. Ab 1919 arbeitete sie in der Jugendwohlfahrt in Charlottenburg, ab 1922 im neu geschaffenen Jugendamt des Bezirks. Bis 1945 war sie für die Unterbringung von Heim- und Pflegekindern verantwortlich. Der Großvater und später auch die Eltern von Erich Wettwer betrieben solche Heime in Pommern. So kam es zum Kontakt und mit der Zeit entwickelte sich eine Freundschaft.
1935 hatten Erna Koschwitz und ihre Lebensgefährtin Anneliese Zech am Fährweg in Hakenfelde eine Wochenendlaube gebaut. Nach dem Krieg wurde sie zu ihrem Dauerwohnsitz, wofür es es auch Anbauten gegeben hat. Zur gleichen Zeit wurde Erna Koschwitz Leiterin der Abteilung Sozialfürsorge im Bezirksamt Charlottenburg, was sie bis zu ihrer Pensionierung 1958 auch blieb. Zwei Jahre später erhielt die Frau, die Erich Wettwer als "mutig, resolut, bisweilen auch streng" beschreibt, das Bundesverdienstkreuz. Sie hat es aber einige Zeit später aus Protest gegen die Sozialpolitik wieder zurückgegeben.
Erich Wettwer ist zwar 1950 in Berlin geboren, aber in Westdeutschland aufgewachsen. Erna Koschwitz, ebenso wie Anneliese Zech waren für ihn in seiner Kindheit "Nenntanten", die er bei Besuchen in der Stadt getroffen hat. Er könne sich noch daran erinnern, wie die beiden Frauen in einem Auto der Marke Lloyd von ihrer ausgebauten Laube in Hakenfelde zur Arbeit nach Charlottenburg fuhren.
Erna Koschwitz starb 1965, ihre Lebensgefährtin 1989. Nach ihrem Tod ging die Laube in denr Familie. Er hat unter anderem von 1997 bis 2014 an der Technischen Universität Dresden gewirkt, lebt heute im Ruhrgebiet. Schon wegen der Laube besucht er aber regelmäßig Berlin.
Vom Bezirksamt war das Haus vor einigen Jahren eigentlich schon für den Abriss bestimmt. Unter anderem wurde bezweifelt, ob der Eigentümer, weil fern von Berlin ansässig, für den Erhalt sorgen könne. Außerdem würde es nicht mehr heutigen Vorgaben entsprechen. Zu Hilfe kam Wettwer damals das Landesdenkmalamt, das die von Erna Koschwitz gebaute Laube in die Denkmalliste aufnahm. Nicht wegen ihrer einstigen Besitzerin. Sondern weil dem Gebäude eine "sozialgeschichtliche Bedeutung" zuerkannt wurde.
An Erna Koschwitz als Person zu erinnern, darauf zielte der Vorschlag von Erich Wettwer. An eine Jugend- und Sozialpolitikerin fast der ersten Stunde, die sich Zeit ihres Lebens diesem Thema gewidmet hat. Und diese Geschichte kann auch durch einen Straßennamen gewürdigt werden.
Dass aber sein Namensvorschlag ausgewählt wurde, habe er erst vor kurzem erfahren, erzählt der emeritierte Professor für Pharmakologie und Toxikologie im Gespräch mit dem Spandauer Volksblatt. Denn nach seinem Vorschlag habe er nichts mehr vom Bezirksamt gehört.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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