Auch an der Blücherstraße wird mangelnde Bürgerbeteiligung beklagt
Kreuzberg. Als Ergebnis der Veranstaltung stand auch hier, dass es eine weitere geben soll. Auch sonst ähnelte der Verlauf der Bürgerversammlung am 26. Mai zu den Neubauplänen an der Blücherstraße 26/26a der zum Campus Ohlauer eine Woche zuvor.
In beiden Fällen geht es um ein Sozialprojekt. Und hier wie dort wird mangelnde Bürgerbeteiligung und Transparenz beklagt.
Das Gelände, das sich entlang der Blücher- und Schleiermacherstraße zieht und auf dem sich das Heinrich-Plett-Haus befindet, gehört seit 2012 der Blücher Housing GmbH, hinter der sich zu zwei Drittel der Träger Jugendwohnen im Kiez (Juwo) und zu einem Drittel der ebenfalls in der Sozialwirtschaft tätige "Verein für Integrative Therapeutische Angebote", kurz Vita, verbirgt. Beide planen auf dem Grundstück insgesamt fünf Neubauprojekte. Bei Juwo liegen sie im Bereich betreute Jugendwohngemeinschaften, Einzelwohnen für Jugendliche sowie einer Kita. Vita will hier Wohnungen für Menschen mit seelischen Behinderungen und Pflegebedürftige schaffen.
Schwierige Suche
Es werde immer schwieriger, dafür geeignete Plätze zu finden, erklärten Jugendwohnen im Kiez-Geschäftsführer Gunter Fleischmann und sein Vita-Kollege Florian Schirmer. Hier gebe es die Möglichkeit dazu. Ihr Vorhaben wird vom Bezirk, namentlich von Bürgrmeisterin Monika Herrmann und Baustadtrat Hans Panhoff (beide Bündnis 90/Grüne) unterstützt. Es entwickelte sich aber nicht zum Selbstläufer.
Claudia Bartholomeyczik ist inzwischen das bekannteste Gesicht der "Initiative für den Kiezerhalt", die gegen die Pläne mobil macht. Nur durch Zufall sei im vergangenen Jahr bekannt geworden, dass der Spielplatz an der Schleiermacherstraße überbaut und die Anlage auf das Innere des Areals verlegt werden soll, erinnert sie bei der Veranstaltung im Leibniz-Gymnasium.
Der Kampf um den Spielplatz war dann auch das erste Ziel der Initiative. Ausgefochten wurde er schon bei einer Bürgerversammlung im Juni 2015. Damals habe es geheißen, an dem Vorhaben ließe sich nichts mehr ändern, sagt Claudia Bartholomeyczik. Was dann aber doch passierte. Auf dem Gelände der Spielfläche gibt es, außer an einer kleinen Stelle, keinen Neubau. Außerdem sollen manche Gebäude statt ursprünglich sieben nur noch sechs Etagen hoch werden. Das zeige, dass auf die Einwände der Bevölkerung eingegangen werde, meinte Hans Panhoff. Aber nicht nur die, sondern auch das Baukollegium des Senats war wohl dafür verantwortlich. Dort hatte es ebenfalls Kritik gegeben.
Wofür der ganze Platz?
Und es blieben weitere Nachfragen. Zu den jetzt bestehenden 5000 Quadratmetern Nutzfläche sollen weitere 10 000 hinzukommen, meinte eine Frau. Nur für etwas mehr als 8000 Quadratmeter gebe es aber bereits einen feststehenden Bedarf. "Wofür werden die anderen Flächen gebraucht?" Das müsse und werde sich mit der Zeit entwickeln, meinte Gunter Fleischmann. Ohnehin wäre nicht geplant, alle Gebäude in einem Zug zu erstellen. Wichtig sei vor allem die Kita an der Blücherstraße. Hier müsste eigentlich bis Juli ein Förderantrag eingereicht werden. Der könne aber erst gestellt werden, wenn die Pläne vorher abgesegnet seien, warb er für mehr Tempo. Konkret benannt wurde dagegen, dass 19 der 42 Bäume auf dem Grundstück gefällt werden sollen.
Vieles sei noch immer vage geblieben, deshalb könne sie zu den Veränderungen auf die Schnelle wenig sagen, meinte Claudia Bartholomeyczik. Sie parierte damit eine Aufforderung des Baustadtrats, sie und andere sollten konkrete Gegenvorschläge auf den Tisch legen.
Was dann wieder in die Frage mündete, wie Bürgerbeteiligung an dieser Stelle ausstehen soll. Das müsse über einen Bebauungsplan geregelt werden, meint die Initiative und beruft sich dabei auch auf die Stellungnahme eines beauftragten Juristen, der das derzeitige Vorgehen für rechtlich nicht gedeckt hält. Maßstab für den Bezirk ist wiederum ein sogenannter Bauerwartungsplan aus dem Jahr 1960. Vier Jahre später errichtete der Architekt Ernst May das Heinrich-Plett-Seniorenwohnheim. Unterstützt wurde er dabei von dem Landschaftsplaner Walter Rossow. Dessen großzügig gestaltete Grünfläche auf dem Grundstück ist für viele ebenfalls ein entscheidendes Argument, um gegen die Pläne vorzugehen. Und insgesamt geht es darum, wie viel Nachverdichtung Kreuzberg noch verträgt und warum sie vor der eigenen Haustür stattfinden soll.
Transparenz gefordert
Anderen Menschen den Zuzug zu verwehren und sich gegen alle Veränderungen zu stellen, sei auch keine Lösung, lauteten die Gegenargumente. Was gar nicht der Fall sei, konterte Claudia Bartholomeyczik. Das Vorhaben werde nicht grundsätzlich abgelehnt. Entscheidend sei aber, in welcher Form es dort Neubauten geben soll und wie das kommuniziert werde.
Hier zeigt sich das entscheidende Problem nicht nur bei dieser Auseinandersetzung. Wenn es um ein Projekt mit sozialem oder anderem wohlwollend betrachtetem Auge geht, spielt das Thema Bürgerbeteiligung anscheinend nicht die entscheidende Rolle. Die betroffene Bevölkerung verlangt aber auch dann eine weitgehende Transparenz.
Gibt es die nicht, kann das zu Gerüchten und sogar Verschwörungstheorien führen. Wie können zwei Sozialträger die Baukosten von geschätzt 30 Millionen Euro überhaupt aufbringen, wurde die beiden Geschäftsführer ebenfalls gefragt. Stecke dahinter vielleicht ein nicht genannter Großfinanzier, der "unbekannte König", wie es ein Redner ausdrückte? Das stellten Fleischmann und Schirmer energisch in Abrede. Nur ihre Gesellschaften seien die Bauherren. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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