Dosiert Dampf abgelassen
Begegnungszone Bergmannstraße als Arbeitsprozess

Eine von neun Werkstätten, in denen Anwohner sich mit der Zukunft der Bergmannstraße beschäftigten. | Foto: Thomas Frey
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  • Eine von neun Werkstätten, in denen Anwohner sich mit der Zukunft der Bergmannstraße beschäftigten.
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Wie wird der Abend verlaufen? Im Tumult? Als "großes Theater", wie eine Frau meinte? Erstes trat nicht ein, zweites wird die Zukunft zeigen. Vielmehr entwickelte sich die "öffentliche Werkstatt zur Zukunft der Bergmannstraße" am 21. Mai im Columbia-Theater zu einer zwar kontroversen, aber gerade für Kreuzberger Verhältnisse eher entspannten Veranstaltung.

Und das trotz rund 300 Besuchern und dem Aufregerthema Begegnungszone beziehungsweise ihre Testphase. Dafür gab es vor allem mehrere Gründe. Zunächst war der Abend überaus professionell organisiert. Dazu kam gleich zu Beginn ein Aufzählen von bisherigen Fehlern und Versäumnissen durch Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne), was manchen Gegnern bereits den Wind aus den Segeln nahm.

Ja, der bisherige Beteiligungsprozess sei nicht immer optimal verlaufen, räumte der Stadtrat ein. Die ersten Probeparklets im vergangenen Jahr nannte er einen "Rohrkrepierer". Auch Aufreger wegen der grünen Punkte auf der Straße wären zu vermeiden gewesen, wenn deren Anbringen nicht in die Osterpause gefallen wäre. Dass die Friesenstraße ausgerechnet jetzt wegen Bauarbeiten gesperrt ist, wurde von ihm ebenfalls als nicht unbedingt zielführend gewertet. Dadurch lässt sich aktuell nicht der sonst übliche Autoverkehr durch die Bergmannstraße eruieren. Und er selbst hätte sich noch mehr um das Projekt kümmern müssen, warf sich Schmidt in die Brust. Aber bekanntlich sei er auch noch mit anderen Themen, Stichwort etwa Vorkaufsrecht, beschäftigt.

Projekt für die Verkehrswende

Das Mea Culpa war eingebettet in das große Ganze. Es gehe um eine grundlegende Verkehrs- und Mobilitätswende, machte Umwelt- und Verkehrssenatorin Regina Günther (für Bündnis90/Grüne) klar. Die Bergmannstraße sei dafür ein Projekt, das nach einer Bewerbung ausgewählt wurde. An ihr könne getestet werden, wie die Verkehrswende bewerkstelligt werden könnte, so wieder der Stadtrat. Und das bedeute auch: Fehler seien inbegriffen, alles umkehrbar. Gerade die Testphase stelle ein Entgegenkommen an die Gegner dar. Sie vorzeitig zu beenden, wie aktuell von einer Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gefordert, stieß auf ein klares Nein bei Regine Günther.

Mit diesen Aussagen war die Bühne bereitet für den zweiten, weitaus längeren Akt: eine groß angelegte Werkstatt mit insgesamt neun Stationen. Dort sollten Einschätzungen, Pro und Contra zu verschiedenen Themen gesammelt werden. Es ging um bestimmte Teilbereiche der Bergmannstraße, Fragen zu Ästhetik, Lärm und Aufenthaltsqualität, auch um den übergeordneten Verkehr. Ein Vorgehen, das den Protest kanalisierte. Und so wurden während mehr als 90 Minuten, wechselnd im Halbstundentakt, fleißig Anregungen, Wünsche und Kritik gesammelt. Nicht nur zum aktuellen Stand. Gefragt waren vielmehr auch Visionen für die Bergmannstraße im Jahr 2022.

Ein umfangreicher Arbeitsprozess, bei dem sich aber in fast jedem Workshop einige Schwerpunkte herausschälten. Vor allem zum Thema Verkehr. Weniger Autos in der Bergmannstraße war eine offensichtliche Mehrheitsmeinung. Aber wie das erreichen? Weitere Hindernisse für motorisierte Fahrzeuge, sogar die Idee eines Parkhausbaus auf dem Tempelhofer Feld wurden in die Debatte geworfen. Und vieles stand in Zusammenhang mit der Frage, wer wird dann belastet und sollte es an dieser Stelle weitere Beruhigung geben?

Begegnungsplatz vor der Markthalle

Ebenfalls heiß diskutiert wurde der Stand der Testphase. Positive Rückmeldung gab es zum Mehr an Fahrradabstellflächen. Wobei übrigens die durchfahrenden Radfahrer nicht durchgehend auf positives Echo stießen. Eigentlich müsste für die ein extra Schnellweg errichtet werden, bevorzugt entlang der Gneisenaustraße, kam ebenfalls als Vorschlag.

Auf zumindest nur eingeschränktes Wohlwollen stießen die Parklets: zu sehr Hindernis, zu gefährlich, immer wieder zweckentfremdet, auch wenn inzwischen Kiezläufer darauf schauen, dass sich vor allem Partypublikum dort nicht einnistet. Und mehr noch als die Sitzmöbel wurden die grünen Punkte negativ bewertet. "Wie wäre es mit einem Zebrastreifen?", fragte ein Mann.

Eher Phantasie anregend war die Station, die sich mit möglicher Verkehrsberuhigung an der Kreuzung Friesen-, Bergmann- und Zossener Straße beschäftigte. Auf großen Beifall stieß die Idee, vor der Marheineke-Markthalle einen Stadtplatz einzurichten. Das soll temporär bereits ab Juni passieren. Während der Sperrung in der Friesenstraße gibt es dort bis Ende Juli einen sogenannten Begegnungsplatz. Er ist ein Baustein für die jetzt angesagte Beteiligungsoffensive, die bis Jahresende mit zusätzlichen Angeboten aufwartet. Unter anderem mit einer Open-Air-Galerie an den Parklets im August, wo Planskizzen vorgestellt und bewertet werden können. Oder im gleichen Monat einem "Reallabor", was heißt, es gibt Diskussion vor Ort. Dazu sind weitere Werkstätten und eine repräsentative Befragung vorgesehen. Die Ergebnisse dieser und anderer Mitmachangebote fließen in eine Abschlussveranstaltung ein, die für Anfang 2020 geplant ist.

Aus diesem Abend eine Art Mehrheitsmeinung herauszufiltern, wird nicht ganz einfach. Und die ganze weitere Wegstrecke stand zu diesem Zeitpunkt auch noch teilweise unter dem Vorbehalt der BVV-Forderung, bis spätestens August die Parklets abzubauen und die grünen Punkte zu entfernen.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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