In der Zwickmühle
Bezirksamt hat Probleme mit der Entwurfsplanung für das Dragonerareal
Kommunikation ist nicht immer einfach. Manchmal versteht der Gegenüber eine Anrede falsch oder nicht vollständig. Mit diesem Problem ist jetzt das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg konfrontiert. Und das ausgerechnet bei einem Vorzeige-Bauprojekt: der Entwicklung des sogenannten Dragonerareals zwischen Obentrautstraße und Rathaus Kreuzberg.
Dafür liegt seit Anfang des Jahres eine städtebaulicher Entwurf vor. Bei dem wurde das Rathausgrundstück mitbeplant. Das war zwar auch so vorgesehen, nicht aber das Ergebnis.
Auf der Fläche hinter der Yorckstraße sollen jetzt bis zu 120 Wohnungen entstehen. Dabei hat das Bezirksamt dort ganz andere Pläne. Nämlich die eigene Daseinsvorsorge. Aber anscheinend wurde das während des Planungsprozesses nicht so eindeutig kommuniziert, vielmehr die Fläche als zusätzliche Spielwiese für die Dragonerareal-Entwicklung eingebracht. Auf die gerne zurückgegriffen wurde.
Denn es ist schwer genug, alle Wünsche und Bedarfe auf dem eigentlichen Dragoner-Grundstück unterzubringen: Erhalt des bestehenden und zusätzliche weiteres Gewerbe, Kultur- und Sozialeinrichtungen, öffentliche Daseinsvorsorge, Grünflächen und insgesamt 500 Wohnungen. Gerade für letzteres kam den Planern das noch unbebaute Rathaus-Areal sehr gelegen. Alle Final- und damit auch der Siegerentwurf sehen dort einen Teil der Appartements vor.
Auch die anderen Mitspieler in dieser als breiten Partizipationsprozess angelegten Entscheidungsfindung finden das gut. Von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung über die Wohnungsbaugesellschaft WBM bis hin zu verschiedenen Initiativen, die die sogenannte "Zivilgesellschaft" repräsentieren. Aber der Bezirk stellt sich bisher dagegen. Er sieht die eigenen Interessen berührt. Wobei die Meinungsbildung im Bezirksamt dabei anscheinend nicht einheitlich ist.
So oder so gibt es ein Problem. Wird der Entwurfsplanung in Friedrichshain-Kreuzberg zugestimmt, fehlen wichtige Vorhalteflächen für weitere Verwaltungsgebäude. Stemmt er sich dagegen, legt er einem städtebaulichen Vorzeigeprojekt Steine in den Weg. Und es kratzt an seinem Image als Garant umfassender Beteiligung von Bürgern und Initiativen.
Verwaltung braucht mehr
eigenen Platz
Unter dem Dragonerareal ist in Nord-Süd-Richtung das Gebiet zwischen Obentrautstraße und der Grundstücksgrenze zum Rathaus Kreuzberg an der Yorckstraße zu verstehen. Das Rathaus gehört also nicht dazu. Ebenso wenig wie streng genommen das Finanzamt am Mehringdamm. Beide Flächen sollten aber bei den Planungen mit berücksichtigt werden, weil für beide Erweiterungspläne verfolgt werden. Beim Rathaus Kreuzberg sollte ein Neubau auf einer Freifläche entstehen, die derzeit vor allem als Parkplatz dient. Bäume gibt es dort auch, die in der Debatte jetzt eine Rolle spielen.
Das gewünschte zusätzliche Verwaltungsgebäude ist zwar schon länger kein Geheimnis, worauf anscheinend auch während des Entwurfsplanungsprozesses für das Dragonerareal hingewiesen wurde. Aber wohl nicht eindeutig und bestimmt. Der Bezirk braucht es für die eigene Daseinsvorsorge.
Neben dem Anbau an der Yorckstraße wird ein Rathaus-Neubau am Ostbahnhof forciert. Dadurch könnte der bisherige Mietstandort in der Frankfurter Allee aufgegeben werden. Möglich ist das alles nur mit Unterstützung der Landesebene. Die ist aber nach Corona eher fraglich. Und selbst wenn, wird das wahrscheinlich länger dauern als erhofft. Wenn gleichzeitig auch noch in Kreuzberg weniger Platz wäre, hätte der Bezirk keine Grundstücke mehr für mögliche Erweiterungen.
Deshalb die Einwände gegen das Aneignen für das Dragonerareal-Projekt. Sie werden außerdem mit dem Verweis auf den Baumschutz unterfüttert. Die vorhandenen Gewächse könnten nicht ohne weiteres abgeholzt werden.
Allerdings schwante bereits einigen Mitgliedern im Stadtplanungsausschuss, der am 3. Juni mit der Causa konfrontiert wurde, dass sich die beiden Argumentationslinien eigentlich aufheben. Wer selbst dort ein Bauvorhaben vorsieht, muss wohl ebenfalls einige Bäume fällen.
Stadträte positionieren sich
unterschiedlich
Deutlich wurde außerdem, dass das Bezirksamt nicht mit einer Stimme spricht. Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis 90/Grüne) scheint dem Entwurf trotz allem eher zuzuneigen. Mögliche Modifikationen inbegriffen. Ähnliches gelte inzwischen, so ließ er durchblicken, für Wirtschaftsstadtrat Andy Hehmke (SPD). Dagegen stehen demnach Bürgermeisterin Monika Herrmann, Finanz- und Umweltstadträtin Clara Herrmann (beide Bündnis 90/Grüne) und der stellvertretende Bürgermeister und Sozial- und Gesundheitsstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke). Auch das aus ihren Positionen begründet als Verantwortliche unter anderem für Personal und Verwaltung, Finanzen oder Naturschutz.
Mögliche Varianten, wie aus der Zwickmühle herauszukommen wäre, klangen auch im Stadtplanungsausschuss an. Viele endeten aber in einem Patt. Etwa der Hinweis, die 500 Wohnungen sollten ausschließlich auf dem Dragonerareal gebaut werden. Das sei zwar richtig, kam als Gegenrede. Aber dort seien gleichzeitig öffentliche Einrichtungen wie Kita oder Jugendclub vorgesehen. Daran hätte gerade der Bezirk Interesse angemeldet. Das müsse deshalb eingepreist werden. Mögliche Kompromisslinien wurden ebenfalls skizziert, etwa weniger Gewerbe oder eine insgesamt höhere Baumasse.
Fraktionen haben Klärungsbedarf
Alles sei aber schon deshalb nicht ganz einfach, weil sich die anderen Player in diesem Spiel ziemlich einig sind. Die Entwurfsplanung soll weiter die Orientierungsmarke bleiben. Deutlich machten das gerade die Vertreter der Initiativen. Der Weg habe bereits viel Arbeit und Mühen gekostet, Einwände dagegen wären jetzt schwer vermittelbar. "Die ursprünglich vom Bezirk in die Planung eingebrachten Flächen auf dem Rathausgrundstück dürfen nicht aus den Planungen für das Modellprojekt herausgenommen werden", wurde unter anderem auch in einer schriftlichen Stellungnahme formuliert.
Bei manchen Fraktionen gibt es deshalb weiteren Klärungsbedarf. Vertreter von Grünen und Linken erklärten, dass sie sich noch im Abstimmungsprozess befinden. Dabei scheinen die Bezirksverordneten gerade zu einem wirklich wichtigen Mitspieler in Sachen Dragonerareal zu werden. Die letzte Entscheidung, wie sich Friedrichshain-Kreuzberg hier weiter positioniere, könnte in der BVV fallen, suggerierte Florian Schmidt.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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