"Städtebaulicher Amoklauf"
Die Ablehnung des Karstadt- Neubaus stößt auf heftige Kritik
Der Stopp für die bisherigen Karstadt-Pläne am Hermannplatz ist von mehreren Seiten teilweise heftig angegangen worden.
Zum Beispiel von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin. Nach Ansicht von deren Hauptgeschäftsführer Jan Eder sei die Entscheidung "leider ein weiterer Beleg dafür, wie Politiker Wirtschaft verhindern". Auch das Argument, der Neubau habe möglicherweise negative Auswirkungen auf das Gewerbe in der Nachbarschaft, lässt er nicht gelten. Die IHK habe mit einer ganzen Reihe von umliegenden Geschäftsleuten gesprochen. Viele würden die Pläne positiv beurteilen, weil sie darin eine Chance sehen, dass Einzelhandel und Gastronomie davon profitieren.
Unverständlich sei auch der Zeitpunkt der Entscheidung, meint Jan Eder. "Ein solches Projekt per Ansage zu unterbinden, obwohl der Beteiligungsprozess gerade erst begonnen hat, widerspricht jedem Partizipationsgedanken." Der Senat solle deshalb dringend prüfen, ob er das Vorhaben wegen seiner gesamtstädtischen Bedeutung nicht in seine Verantwortung übernehmen müsse. Fazit des Geschäftsführers: Aus Sicht der Wirtschaft sei die Ablehnung "nicht nachvollziehbar".
"Weiteren Diskussionsbedarf" sieht die SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg. Natürlich müssten Sorgen ernst genommen werden, durch das Bauprojekt könnten Verdrängungsprozesse in Gang gesetzt werden, sagte der Vorsitzende Sebastian Forck. Deshalb gelte es auch zu erörtern, wie der Hermannplatz kiezverträglich umgestaltet werden kann. Aber das aktuelle Kaufhausgebäude sei schon aus energetischen Gesichtspunkten nicht für die Zukunft aufgestellt. "Wenn dort eines Tages nur noch eine Bauruine steht, ist niemandem geholfen."
Aufwertung dringend notwendig
Dass Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne) das Projekt so wegbügle, sei schade und damit werde leichtfertig eine große Chance vertan, findet John Dahl (SPD), Vorsitzender des Stadtplanungsausschusses. Er erinnerte auch daran, dass zum jetzigen Zeitpunkt der Bauherr seine Planungen noch anpassen und verändern könne. Das Argument des Stadtrats, das neue Gebäude wäre ein Fremdkörper, erscheine ihm nicht plausibel, so John Dahl. Wäre das ursprüngliche Kaufhaus nicht im Zweiten Weltkrieg gesprengt worden, "stünde es heute unter Denkmalschutz".
Das Karstadt-Grundstück gehört zum größten Teil noch zu Friedrichshain-Kreuzberg, der Hermannplatz bereits zum Nachbarbezirk Neukölln. Dort hat sich die CDU hinter die Pläne des Investors gestellt und Florian Schmidt eine "Blockadehaltung" vorgeworfen. Wenn sich dessen "absolutistisches Politikverständnis" derart massiv auf Neukölln auszuwirken drohe, sei eine Grenze überschritten, erklärte der dortige CDU-Vorsitzende und stellvertretende Bürgermeister Falko Liecke.
Wenn es einen Platz in Berlin gebe, der eine Aufwertung dringend nötig habe, dann der Hermannplatz. Mit der öffentlich zugänglichen Dachterrasse, Räumen für lokale und soziale Einrichtungen und den Sport, biete es einen "echten Mehrwert" für den Kiez. Und die ebenfalls geplanten Wohnungen würden gerade in der Innenstadt dringend benötigt. Auch Liecke fordert, dass der Senat das Vorhaben an sich ziehen und damit "den städtebaulichen Amoklauf des Stadtrats Schmidt unverzüglich beenden" soll.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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