Wichtige Etappe auf einem langen Weg
Erste Ideen für den Neubau der Zentralbibliothek
Drei erste Entwürfe sind das Ergebnis des Dialogverfahrens für die städtebauliche Machbarkeitsstudie zum Bau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) am Blücherplatz. Alle Varianten sehen eine massive Neubebauung vor. Unterschiede gibt es in der Anordnung und bei der Gebäudezahl.
Wie mehrfach berichtet, soll rund um die Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) der neue, alle Bereiche der ZLB umfassende Standort errichtet werden. Den möglichen Baubeginn fixierte Kultursenator Klaus Lederer (Linke) auf das Jahr 2026. Die jetzt vorliegenden ersten Skizzen markieren eine wichtige Etappe, auch als Grundlage für den Architektenwettbewerb, der in diesem Jahr starten und dessen Ergebnisse 2021 vorliegen sollen.
Die (Vor)Entwürfe basieren auf einem Beteiligungsprozess, der von September bis November 2019 stattgefunden hat. Experten und die interessierte Öffentlichkeit beschäftigten sich dort mit den Möglichkeiten und Grenzen für einen Neubau. Dabei gab es einiges zu berücksichtigen.
Die Größenordnung: Die neue ZLB soll über eine Nutzfläche von rund 38 000 Quadratmeter verfügen. Höher als 50 Meter sollen das oder die neuen Gebäude aber nicht werden.
Umgang mit der AGB: Das Baudenkmal bleibt bestehen und wird Teil des Gesamtkomplexes. In welcher Form, darauf geben die Varianten unterschiedliche Antworten. Wird sie nur durch einen unterirdischen Zugang mit dem Neubau verbunden? Oder bekommt sie einen direkten Anschluss im Erdgeschoss, weshalb vielleicht der Bereich der bisherigen Kinder- und Jugendbibliothek weichen könnte? Eine Frage, bei der sich bereits unterschiedliche Interessen zeigten, etwa zwischen Denkmalschutz und Bibliotheksmanagement.
Der Ort: Die Grünanlage Blücherplatz gehörte bisher nicht zu den Vorzeigeflächen im Bezirk. Das wird sich durch das Projekt ändern. Alle Varianten hatten zu berücksichtigen, dass der heutige Vorplatz vor der AGB unbebaut bleiben und zu einer Art Entrée für den künftigen Standort werden soll. Der östliche Bereich ist dagegen Teil des „Baufensters“, was vor allem bei zwei Entwürfen sehr deutlich wird. Was bedeuten würde, ein Großteil der Bäume müsste dort weichen. Einigkeit bestand wiederum, dass die vorhandene oder noch übrig bleibende Freifläche als Teil des Neubaukomplexes eine Rolle spielen soll. Etwa als Bibliotheksgarten.
Außerdem tat sich nicht nur beim Thema Grün während des Dialogverfahrens noch eine weitere Möglichkeit auf – auf der Südseite des Areals, dort, wo bisher die Blücherstraße verläuft. Die soll im Zuge des ZLB-Vorhabens zwischen Zossener Straße und Mehringdamm als Autoverbindung aufgegeben werden. Dieser immer wieder erhobenen Forderung kam die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz jetzt nach. Das eröffnet weitere Möglichkeiten, etwa die eines Parks, der eventuell auch die benachbarten Friedhöfe vor dem Halleschen Tor integriert. Selbst ein „Drehen“ der gesamten Planungen wurde ins Gespräch gebracht.
Die Umgebung. Der Bibliotheksstandort liegt zentral, er ist mit drei U-Bahnlinien direkt zu erreichen. Gleichzeitig wirkt er bisher etwas abgeschnitten zwischen der südlichen Friedrichstadt und der Tempelhofer Vorstadt. Das soll sich ebenfalls ändern, auch mit dem Hinweis auf andere Bauprojekte in der Umgebung, etwa am Dragonerareal. Bessere Wegeverbindungen, weitgehende autofreie Bereiche, eine entsprechende Gestaltung des Zugangsbereichs als "identitätsstiftender Stadtplatz" sind geplant. Eine Tiefgarage oder sonstige Abstellmöglichkeiten für Autos soll es an der Bibliothek nicht geben.
Dazu müssen noch weiter in die Zukunft gerichtete Ideen beachtet werden. Vor allem die für zwei Straßenbahnlinien, die einmal an der ZLB vorbeiführen sollen. Zumindest wird das überlegt. Aber selbst wenn daraus konkrete Planungen werden, passiert wohl vor dem Jahr 2030 in dieser Richtung nichts.
Stand der Dinge: In der aktuellen Phase warnte Katrin Lompscher (Linke) vor schnellen Festlegungen. Was jetzt vorliege seien erste Vorstellungen, die übergeordnete Ziele, städtebauliche Möglichkeiten und das Baufenster beschreiben. Die Stadtentwicklungssenatorin hielt deshalb auch wenig davon, bereits die eine oder andere Variante zum Favoriten zu erklären.
Noch mehr gilt das für die innere Ausgestaltung der Bibliothek. Einig waren sich aber alle: Sie wird mehr sein, als ein Ort, an dem es nur um Bücher, nicht einmal allein um Medien geht. Jugendliche werden dort zocken, der Rentner eine Bohrmaschine ausleihen, nachmittags gebe es Lesestunden und abends Kulturbetrieb, nannte Friedrichshain-Kreuzbergs Kulturstadträtin Clara Herrmann (Bündnis90/Grüne) einige Funktionsbeispiele für diesen "dritten Ort" verschiedener öffentlicher Interessen. Gerne wird dabei auf weltweite Beispiele verwiesen, die in den vergangenen Jahren mit ähnlicher Zielrichtung entstanden sind. Etwa die Bibliothek in Helsinki.
Die Kosten: Viele Jahre nach vorne zu planen ist nicht ganz einfach. Das gilt erst recht für die Kosten. Sie werden derzeit auf rund 350 Millionen Euro geschätzt. Aber selbst wenn es mehr werden, hält Klaus Lederer den finanziellen Einsatz für angemessen. Nach seine Ansicht wäre auch "eine halbe Milliarde keine Fehlinvestition."
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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