70 Prozent Gewerbe, 30 Prozent Wohnen
Kontroverse zum Postscheck-Deal im Stadtplanungsausschuss

Zu viel Gewerbe? Der Kompromiss zum Postscheck-Areal sorgte im Stadtplanungsausschuss für kontroverse Diskussionen. | Foto: Thomas Frey
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  • Zu viel Gewerbe? Der Kompromiss zum Postscheck-Areal sorgte im Stadtplanungsausschuss für kontroverse Diskussionen.
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Volker Härtig präsentierte sich einmal mehr in Hochform. "Wir erleben gerade den größten Bauskandal in der Geschichte unseres Bezirks", wetterte der SPD-Bürgerdeputierte.

Härtig ist als Kritiker bezirklicher Baupolitik eine feste Größe im Stadtplanungsausschuss. Seine Superlativ-Skandal-Suada bei der Sitzung am 21. November galt dem ausgehandelten Kompromiss für die Zukunft des Postscheckareals am Halleschen Ufer.

Die Ausschussmitglieder erfuhren bei diesem Termin zum ersten Mal Offizielles über den Inhalt. Ein Grund, warum sie über das Ergebnis nicht sofort abstimmten. Außerdem wurden Nachbesserungen gefordert. Härtigs SPD-Genossen wollen noch mehr Wohnungen durchsetzen, als jetzt festgeschrieben sind.

Wie berichtet, war die Abmachung bereits in den vergangenen Wochen in großen Teilen bekannt geworden. Die CG-Gruppe, als Eigentümer des Grundstücks, will dort ausschließlich Büro- und Gewerbeflächen realisieren. Und zwar in einer Größenordnung von 71 645 des insgesamt rund 100 000 Quadratmeter vorgesehenen Bauvolumens. Die restlichen 28 400 Quadratmeter sind für 320 Wohnungen vorgesehen. Sie werden vom kommunalen Unternehmen Degewo errichtet und sollen zum größten Teil im niedrigpreisigen Segment von 6,50 Euro pro Quadratmeter angeboten werden.

Zahl bezahlbarer Wohnungen steigt

Der Kompromiss war unter Federführung von Stadtentwicklungs-Staatssekretär Sebastian Scheel (Linke) ausgehandelt worden, nachdem sich CG-Gruppe und Bezirk zuvor wegen der Postscheck-Zukunft völlig verhakt hatten. Er basiere auf einem Vorschlag von CG-Chef Christoph Gröner, erklärte Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne), finde aber seine Zustimmung. Und das aus mehreren Gründen.

Hauptsächlich deshalb, weil der Anteil der sogenannten bezahlbaren Wohnungen um 7000 Quadratmeter erhöht worden sei. Ein Mehr in diesem Bereich wäre immer eine Forderung des Bezirks gewesen. Und da sie komplett an die Degewo gehen, sichere das auch den Gemeinbedarf. Weiterer Vorteil aus seiner Sicht: Die von der CG-Gruppe ursprünglich geplanten möblierten Appartements im Postscheck-Hochhaus seien vom Tisch. Gerade diese Wohnform war nicht nur beim Stadtrat auf Ablehnung gestoßen, denn sie sollte sich an meist solvente und oft nur temporär in Berlin weilende Nutzer richten.

Statt Wohnen soll es im gesamten Hochhaus jetzt Gewerbeflächen geben, ebenso wie in einem neu errichteten Gebäuderiegel entlang der Halleschen Straße sowie einem Komplex an der Westseite. Die Degewo-Häuser entstehen auf der Nordseite des Areals.

Mehr Gewerbe statt hochpreisige Wohnungen wäre die bessere Alternative, resümierte Florian Schmidt. Zumal an solchen Flächen inzwischen ebenfalls akuter Mangel bestehe. Dazu würden Arbeitsplätze gesichert.

Degewo zufrieden mit Kaufpreis

Volker Härtig sah das ganz anders. Mit diesem Ergebnis wäre der Bezirk "den Interessen der CG-Gruppe zu 100 Prozent gefolgt". Die habe mehr Gewerbe gewollt und bekomme es jetzt. Dabei sei ursprünglich ein Anteil von rund 70 Prozent Wohnen festgeschrieben worden, was sich jetzt ins Gegenteil verkehrt habe. Konkret: Statt von ursprünglich 625, Härtig sprach sogar von 700, Wohnungen, auf jetzt etwas mehr als die Hälfte. Mit diesem sogenannten Kompromiss werde der Immobilieninvestor nach seinen ersten Berechnungen "zwischen 60 und 70 Millionen" Euro mehr einstreichen, kam Härtig zu einem weiteren Punkt in seiner Skandalchronik. Über so einen Profit würde er sich wirklich freuen, wurden diese Zahlen von CG-Geschäftsführer Jürgen Kutz eher ironisch kommentiert.

Eingepreist in den vermuteten Mehrgewinn ist auch der Verkauf des Grundstücksteils für Wohnungen an die Degewo. Wie viel der kostet, blieb zunächst unklar. Nur soviel: Sein Unternehmen könne sich über die ausgehandelte Summe nicht beschweren, erklärte ein Degewo-Vertreter. Sie sei zwar nicht vergünstigt, aber "angemessen", sekundierte der Baustadtrat.

Neben Härtig fanden auch Marlene Heihsel (FDP) und Götz Müller (CDU) die Vereinbarung nicht gelungen. Für Müller liegt der von Härtig apostrophierte Bauskandal aber woanders. Nämlich bei einer Ausschussmehrheit, die vor einigen Monaten einen ersten Kompromiss mit weitaus mehr Wohnungen als jetzt abgelehnt habe. Ähnlich klang das bei der Liberalen. Sie verstehe die Welt nicht mehr. Einem stark reduzierten Anteil solle jetzt zugestimmt werden Dabei könne es wegen der aktuellen Marktlage gar nicht genug Wohnungen geben. Egal in welchem Kostensegment. Einen Zuschlag bei den Appartements auf dann rund 450 wollen die Sozialdemokraten. Ein bisher vorgesehener Gewerbeneubau an der Westseite solle ebenfalls zum Wohngebäude werden und an die Degewo gehen, verlangte ihr Fraktionsvorsitzender Sebastian Forck. Dann wäre es ein "einigermaßen fairer Deal".

Der Antrag ist am 28. November Thema in der Bezirksverordnetenversammlung.

Zu viel Gewerbe? Der Kompromiss zum Postscheck-Areal sorgte im Stadtplanungsausschuss für kontroverse Diskussionen. | Foto: Thomas Frey
Diese Skizze des Kompromisskonzepts wurde im Stadtplaungsausschuss präsentiert. Die blauen Gebäude stehen für Gewerbe. In ihrer Mitte ist das schon vorhandene Hochhaus zu erkennen. Dahinter in Rot der Bereich für Wohnen. Der Begriff HAU steht hier für Hallesches Ufer und ist nicht zu verwechseln mit den HAU-Theatern (Hebbel am Ufer) in der Nähe. | Foto: CG-Gruppe
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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