Kein Anspruch auf Entschädigung
Neues Gutachten zur Urbanen Mitte stärkt bezirklichen Spielraum
Ginge es nach dem Willen der Luxemburger Urbane Mitte Besitz S.à.r.l., dann würde es künftig sieben Bürohochhäuser am Gleisdreieckparks geben, zwar mit Flächen für Sport, Kunst und Kultur, aber ohne bezahlbaren Wohnraum. Die Pläne sind im Bezirk unbeliebt, doch vor einer Änderung schreckten Bezirk und Senat bisher wegen drohender Entschädigungszahlungen zurück. Doch die müssen sie nicht fürchten, zeigt ein neues Gutachten.
Schon ein von der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck und den Naturfreunden Berlin beauftragtes Gutachten zur Urbanen Mitte verdeutlichte, dass keine Entschädigungsansprüche des Investors gegenüber dem Land oder Bezirk bei Nichtgenehmigung des Bauvolumens zu befürchten wären. Nun liegt ein weiteres von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gefordertes und vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg beauftragtes Rechtsgutachten vor. Auch das kommt zum gleichen Ergebnis: Demnach ist die Klausel im städtebaulichen Rahmenvertrag vom 27.09.2005, Fassung von 2021, unwirksam, wonach dem Investor im Fall einer erheblich zu seinem Nachteil abweichenden Bebauungsmöglichkeit ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich zustehen soll. Denn „mit diesem Inhalt verstößt die Regelung (mittelbar) gegen das Verbot der unzulässigen Planbindung. Denn sie begründet Gefahr, dass sich die Bezirksverordnetenversammlung bei ihrer Entscheidung maßgeblich von der drohenden Schadensersatzpflicht leiten lässt und damit das Ergebnis der Planung bereits vor der Abwägung durch die Bezirksverordnetenversammlung faktisch gebunden ist“, wie es im der Berliner Woche vorliegenden Gutachten formuliert ist. Will heißen: Sollte sich die BVV gegen den Bebauungsplan für die Urbane Mitte aussprechen, besteht für den Vorhabenträger kein vertraglicher Anspruch auf Entschädigung.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen in der BVV, Sarah Jermutus, begrüßt das Ergebnis: „Bislang wurde immer mit hohen Entschädigungssummen gedroht, sollten die Planungen geändert oder gestoppt werden. Auch der Rahmen des Bebauungsplans wurde gesetzt, bevor die BVV überhaupt über den dafür nötigen Bebauungsplan beraten konnte.“ Deutlich auch die Reaktion von Sebastian Pröbster (Linke): „Eine solche Erpressungspolitik entbehrt laut Gutachten jeder Rechtsgrundlage.“
Deshalb haben die Grünen dazu zusammen mit den Linken und der SPD einen Dringlichkeitsantrag in die jüngste BVV eingebracht, mit dem das Bezirksamt beauftragt wird, „den aktuellen Entwurf des Bebauungsplans entsprechend zu überarbeiten und an die von der BVV zu beschließenden Kriterien anzupassen.“ Er wurde mehrheitlich mit den Stimmen der Antragsteller angenommen. Alle übrigen Fraktionen stimmten dagegen, die CDU-Fraktion, weil die das Gutachten wegen der Kurzfristigkeit erst im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen behandelt sehen will, die AfD, weil sie „einer beschleunigten Umsetzung des Projektes Urbane Mitte nicht entgegenstehen“ wollte. Bis Redaktionsschluss äußerte sich die für eine Stellungnahme angefragte Urbane Mitte Besitz S.à.r.l. nicht.
Autor:Uwe Lemm aus Mahlsdorf |
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