"Robust" und "heilbar"
Städtebaulicher Entwurf für das Dragonerareal vorgestellt
Drei Konzepte für das Dragonerareal lagen zur Entscheidung vor. Sie wiesen manche Parallelen, aber auch Unterschiede im Detail auf. Eines sollte ausgewählt werden. Das tat eine Jury am 29. Januar.
Einen Tag später wurde das Ergebnis bekannt gegeben. Die weiteren Planungen für das Dragonerareal sollen sich am städtebaulichen Entwurf von "SMAQ – Architektur und Stadt" sowie Man Made Land und Barbara Schindler orientieren. Orientieren heißt, es muss und wird auch nicht alles so geplant und gebaut, wie dort projiziert. Aber die Vorlage bedeute eine belastbare, robuste Grundlage, erklärte der Juryvorsitzende Rudolf Scheuvens. Das Wort "robust" wurde bei der Präsentation häufig verwendet. Ebenso wie "heilbar". Will heißen: Schwächen können noch beseitigt werden.
Grundsätzlich konzentriert das Siegerkonzept das Gewerbe im Norden, Wohnungsbau im Süden, dazwischen öffentliche Einrichtungen oder Freiflächen. Ein Markenzeichen ist ein 16-geschossiges Hochhaus, weitere sind unter anderem ein geplantes Gewächshaus auf einem Gewerbegebäude oder ein grünes Wegenetz durch und über das Quartier hinaus zwischen Obentrautstraße und Rathaus Kreuzberg. Auch eine vorgesehene Erweiterung des Rathauses sowie des Finanzamtes am Mehringdamm musste mit berücksichtigt werden.
Der Entwurf orientiert sich an vorher aufgestellter Prämissen, die in einem monatelangen offenen Werkstattverfahren erarbeitet worden waren. Wie überhaupt die Beteiligung verschiedener Akteure eine ganz wichtige Rolle spielt, gebündelt etwa im Vernetzungstreffen Rathausblock und Forum Rathausblock. Beide haben Sitz und Stimmen im Zukunftsrat Dragonerareal. Dort sind außerdem die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der Bezirk, die Wohnungsbaugesellschaft WBM und das Berliner Immobilienmanagement (BIM) vertreten. Grundlage ist eine Kooperationsvereinbarung, die im Juni 2019 unterzeichnet wurde.
Mitspracherecht verschiedener Initiativen
Eine Konstruktion, die den Auseinandersetzungen um das knapp fünf Hektar große, ehemalige Kasernengelände geschuldet waren. Ihr ursprünglicher Eigentümer der Bund, vertreten durch dessen Immobiliengesellschaft BImA, wollte das Grundstück zwei Mal an private Investoren zum Höchstpreis verkaufen. Was jeweils auf Widerstand stieß und in beiden Fällen scheiterte. Zuletzt auch durch eine Bundesratsinitiative des Berliner Senats, namentlich Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), durch die eine bereits geschlossene Transaktion abgelehnt wurde.
Daraufhin kam es zu einer Übertragung der Fläche im Rahmen des Hauptstadtvertrags an das Land. Bei deren weiteren Entwicklung forderten verschiedene Initiativen, ebenso wie die Gewerbetreibenden auf dem Gelände, ein Mitspracherecht, denn schließlich sei der erfolgreiche Kampf um das Dragonerarel vor allem ihrem Engagement zu verdanken. Was auch passierte. Schon deshalb wird dem Verfahren ein "Modellcharakter" zugeschrieben. Sowohl Stadtentwicklungsstaatssekretär Sebastian Scheel (Linke) als auch Bautadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne) verwendeten diesen Begriff.
Modellhaft war bereits, ganz verschiedene Wünsche und Anliegen unter einen Hut zu bringen. Mindestens 500 Wohnungen sollen entstehen. Die meisten unter Verantwortung der WBM. Weitere Vorgabe: ein hoher Anteil an Angeboten im niedrigpreisigen Mietsegment. Rund 100 Appartements sollen andere, speziell Genossenschaften, errichten. Das bestehende Gewerbe muss erhalten bleiben, auch weiteres sich ansiedeln können. Das ist ein Anliegen der Bestandsunternehmen, aber auch der BIM. Dazu soll Platz für eine Kita, Jugendfreizeiteinrichtung, Spielflächen, Belange des Denkmalschutzes oder ein Lern-und Geschichtsort zur Historie des Dragonerareals berücksichtigt werden. Letzteres ist nur ein Beispiel für Raum, den verschiedene Gruppen für ihre Aktivitäten auf dem Terrain beanspruchen.
Weniger Gewerbe, mehr Wohnungen als gefordert
Auch der jetzt gekürte Entwurf erfüllt nicht alle Kriterien optimal. Vor allem Pamela Schobeß, Inhaberin des Clubs "Gretchen" auf dem Gelände und Sprecherin des Dragonerareal-Betriebe, machte das deutlich.
Für das Gewerbe war laut Anforderungskatalog eine Mindestfläche von 25 600 Quadratmetern vorgesehen. SMAQ, Man Made Land und Barbara Schindler skizzieren dafür aber nur knapp 21 000 Quadratmeter. Zudem liegt bei ihnen der Anteil sogenannter "störender" Produktionen, also solchen, die auch Lärm verursachen, mit 68 Prozent unter der geforderten 80 Prozent-Marke. Da müsse deshalb noch nachjustiert werden. Denn auch als innerstädtischer Gewerbestandort soll das Dragonerareal eine wichtige Rolle spielen. Beim Wohnungsbau landete das Siegerkollektiv dagegen mit 525 Appartements sogar etwas über der Zielvorgabe.
Auf der Grundlage des städtebaulichen Entwurf wird jetzt weiter gearbeitet. Rund eineinhalb Jahre soll dieser Prozess dauern. Zumindest nach den Worten von Staatssekretär Scheel. Der wünscht sich bis zum Herbst 2021 eine Planreife. Bisher, so wurde ebenfalls erwähnt, liege das Verfahren im vorgesehenen Zeitrahmen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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