Das letzte Wort hat der Denkmalschutz
Zukunft und Vergangenheit der Bockbrauerei
Einmal mehr hat sich Ende Mai der Stadtplanungsausschuss mit den Neubauvorhaben auf dem Gelände der ehemaligen Bockbrauerei an der Fidicinstraße beschäftigt. Mehrheitlich beschlossen wurde dabei eine Vorlage des Bezirksamtes, die vorsieht, das Areal zu einem "urbanen Gebiet" zu erklären. Das bedeutet: Die inzwischen von einer Mehrheit gewünschte Mischung zwischen Wohnen und Gewerbe wird festgeschrieben.
Dabei handelt es sich um einen Kompromiss, der erst nach langwieriger Annäherung erzielt werden konnte. Die Bauwert Aktioengesellschaft, Investor auf dem Grundstück, wollte vorwiegend neue Wohnungen errichten. Der Bezirk pochte, unterstützt von großen Teilen der BVV, zunächst auf den Erhalt des Gewerbestandorts. Vor allem sollten die bisher ansässigen Unternehmen und Dienstleister bleiben dürfen. Mittlerweile sind sind einige von ihnen weggezogen.
Neue Möglichkeiten
Der Bezirk hatte für seine Position ein starkes Argument zur Hand: Weil die Bockbrauerei bisher als reiner Gewerbestandort ausgewiesen ist, musste für den Wohnungsbau der Bebauungsplan verändert werden. Das ist aber auf Grund einer Veränderungssperre zunächst nicht passiert. Erst das Ausweisen zum "urbanen Gebiet" ändert das nun.
Vorangegangen war ein Entgegenkommen der Bauwert. Sie sichert den Bestand wichtiger bisheriger Anbieter und Institutionen zu. Namentlich genannt sind etwa das Archiv der Jugendkulturen oder das Integrationstheater Thikwa. Sie und andere bisherige Nutzer sollen unter dem Dach eines Genossenschafts-, beziehungsweise Stiftungsmodells verortet werden. Das gewährleiste nicht nur langfristigen Bestand, sondern auch bezahlbare Mieten, hob Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne) besonders hervor. Er habe diese Variante schon in den vergangenen Sitzungen ins Spiel gebracht (wir berichteten). Seine Grünen-Fraktion tat sich dagegen sichtbar schwer mit dem Schwenk hin zum Wohn- und Gewerbemix. Ein reiner Gewerbestandort wäre noch immer die favorisierte Lösung, erklärte ihr Vorsitzender Julian Schwarze. Eine Mehrheit gebe es dafür aber wohl nicht.
NS-Vergangenheit
Die Frage, wie hier gebaut werden kann, hängt noch von einem anderen Thema ab, nämlich dem des Denkmalschutzes. Denn die Bockbrauerei ist ein historisch kontaminiertes Gelände. In den dortigen Kellern wurden zwischen 1944 und Kriegsende Zwangsarbeiter festgehalten, die dort für die Rüstungsproduktion arbeiten mussten. Wie an anderen Stellen mit dieser Vergangenheit hat das Jahrzehnte lang kaum jemanden interessiert. Auch bei der Bockbrauerei spielte das Schicksal der Zwangsarbeiter erst wirklich eine Rolle, als die Neubaupläne bekannt wurden.
Umso mehr trommelt jetzt eine Initiative für den vollständigen Erhalt der Gewölbe. Jürgen Leibfried, Chef der Bauwert, hatte ebenfalls bei einer Ausschussberatung angekündigt, rund 30 Prozent der Keller zu erhalten und dort einen Gedenkort einzurichten. Für die Expertise bei diesem Vorhaben habe er sich an die Stiftung Topographie des Terrors und deren Chef Andreas Nachama gewandt.
Der Initiative ist das zu wenig. Und sie unterstellt Leibfried, dass er hier vollendete Tatsachen schaffen will. Allerdings ist das schon deshalb nicht so ohne weiteres möglich, weil der Denkmalschutz inzwischen eine Konsultation und damit ein Mitspracherecht bei den weiteren Planungsschritten beansprucht.
Zum Thema Zwangsarbeit in den Kellern der Bockbrauerei gibt es am Donnerstag, 7. Juni eine Veranstaltung im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit, Britzer Straße 5 in Schöneweide. Der Historikers Thomas Irmer hält dazu einen Vortrag. Auch Dr. Bernhard Kahlenbach vom Landesdenkmalamt Berlin wird sich äußern. Beginn ist um 19 Uhr.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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