Der Arbeitskreis Orientierungs- und Bildungshilfe hilft funktionalen Analphabeten

Der 52-jährige Lorenz hat bei Marsilia Podlech richtig lesen und schreiben gelernt. | Foto: Klaus Teßmann
  • Der 52-jährige Lorenz hat bei Marsilia Podlech richtig lesen und schreiben gelernt.
  • Foto: Klaus Teßmann
  • hochgeladen von Klaus Teßmann

Kreuzberg. Wer nicht richtig lesen kann, hat es meist sehr schwer im Leben. Deshalb stellt die Berliner Woche im Rahmen der Aktion „Das geht uns alle an!“ Akteure und Organisationen vor, die sich dafür einsetzen, dass Menschen besser lesen können.

„Jetzt schaffe ich es, auch einmal ein Buch zu lesen.“ Der 52-jährige Lorenz ist stolz auf seine Leistung. Seit drei Jahren besucht er die Kurse beim Arbeitskreis Orientierungs- und Bildungshilfe. Lorenz gehörte bis vor drei Jahren zu den rund 300 000 Analphabeten in Berlin.

„Seit 1977 hilft der Arbeitskreis diesen Menschen, lesen und schreiben zu lernen“, erklärt Marsilia Podlech. In Deutschland gibt es nur sehr wenige Menschen, die überhaupt nicht lesen und schreiben können. Aber es gibt zahlreiche Menschen, die nur einfache Sätze oder kurze Texte schreiben und auch lesen können. „Das ist für den Alltag meist auch ausreichend.“ Für komplizierte Texte oder Fragebögen benötigen diese Menschen aber Hilfe von Freunden.

60 Kursteilnehmer

Drei Mitarbeiterinnen geben beim Arbeitskreis Orientierungs- und Bildungshilfe (AOB) in der Gneisenaustraße 2 A die Kurse. Der Arbeitskreis ist ein eingetragener Verein und wird vom Senat gefördert. Zur Zeit lernen hier 60 Kursteilnehmer. Zu ihnen gehört auch Lorenz. „Jetzt habe ich Zeit für den Unterricht“, erklärt Lorenz selbstkritisch. „Als Jugendlicher hatte ich immer keine Zeit und überhaupt keine Lust.“

Er hatte sich auch damit abgefunden, dass er nur wenig lesen und schreiben konnte. Das hatte aber auch zur Folge, dass Lorenz zwar als Tischler und Zimmermann arbeitete, aber nie einen Berufsabschluss machen konnte. Dafür reichten seine Kenntnisse nicht aus.

Heute sieht er das alles etwas anders. „Ich freue mich, dass ich durch diese Kurse mehr Selbstständigkeit gewonnen habe.“ Erst vor Kurzem konnte er die theoretische Prüfung für die Fahrerlaubnis ablegen. Für Lorenz ist das eine Belohnung für den Ehrgeiz, den er erst spät entwickelt hat. Nun hat er das Ziel, auch Fragebögen und Anträge selbst ausfüllen zu können.

„Die Berliner kommen aus ganz unterschiedlichen Gründen zu uns“, erklärt Marsilia Podlech. Einige Kursteilnehmer werden vom Job-Center geschickt. Dann gibt es solche Menschen wie Lorenz, die auch im fortgeschrittenen Alter noch richtig lesen und schreiben lernen wollen. „Und es kommen vor allem Mütter zu uns, damit sie ihren Kindern bei den Schulaufgaben helfen können.“

Die Ausbildung läuft in drei Stufen. Die Schüler kommen an zwei Tagen in der Woche für jeweils zwei Stunden zum Unterricht. „Es ist hier aber nicht wie in der Schule“, sagt Marsilia Podlech. „Wir arbeiten bedarfsorientiert, stellen uns auf die Schüler ein.“ Das geht unkompliziert, denn die Gruppen sind sehr klein, sodass die Lehrer die Besonderheiten jedes Schülers berücksichtigen können. Mit jedem neuen Schüler wird zunächst ein ausführliches Beratungsgespräch geführt, um zu erkennen, wo Nachholbedarf besteht.

„Damit können wir dann einen Kurs für ihn finden.“ Viele Kursteilnehmer haben Schwierigkeiten, das gesprochene Wort aufzuschreiben. Dabei werden Buchstaben wie zum Beispiel ‚g’ und ‚k’ vertauscht. Andere kommen mit der Silbentrennung nicht zurecht. Vor allem aber haben viele Kursteilnehmer Schwierigkeiten, sich längere Zeit auf einen Text zu konzentrieren.

„Es ist ein langwieriger Prozess so einen Kurs durchzuhalten“, hat Marsilia Podlech festgestellt. Und so freut sie sich über solche Teilnehmer wie Lorenz, der auch nach drei Jahren noch mit Eifer dabei ist und auf Erfolge verweisen kann. KT

Weitere Informationen gibt es auf www.aobberlin.de und unter  693 40 38.
Autor:

Klaus Teßmann aus Prenzlauer Berg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 693× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 258.000 Haushalte in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Steglitz-Zehlendorf baut die Telekom Glasfaserleitungen aus.  | Foto: Telekom

Glasfaser-Internet hier im Bezirk
Telekom bietet 258.000 Haushalten einen Anschluss ans Glasfasernetz

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Steglitz-Zehlendorf. Damit können nun insgesamt rund 258.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu...

  • Zehlendorf
  • 20.01.25
  • 1.453× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 3.499× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.