Schule in der Graefestraße gibt sich einen Namen
Der Mediziner Albrecht von Graefe (1828-1870) gilt als Pionier der Augenheilkunde. Er wirkte lange an der Charité. Nach ihm ist auch die Graefestraße benannt. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Friedhof vor dem Halleschen Tor. Der lokale Bezug habe bei der Wahl ebenso eine Rolle gespielt, wie Graefes Leben und Wirken, erklärt Guido Schulz. "Er war ein sozial engagierter Arzt, der bei seiner Behandlung auch keinen Unterschied zwischen reichen und armen Menschen machte. Gerade das hat viele Schüler für ihn eingenommen."
Die Namensgebung wurde als breit angelegtes Beteiligungsverfahren organisiert. Seit Anfang 2014 konnten Vorschläge gemacht werden. Auf der Liste fanden sich zunächst auch Kandidaten, wie die Fußballer Mesut Özil und Marco Reus. Sie fielen aber schon deshalb heraus, weil eine Benennung nach noch lebenden Personen im Normalfall nicht möglich ist.
Wobei die Schule in einem Fall jedoch von dieser Regel davon abwich. Nämlich bei Muhammad Ali. Die 1942 geborene Boxlegende blieb unter den elf Namen, die schließlich in die engere Wahl kamen. Mit jeweils einer dieser Persönlichkeiten musste sich eine Gruppe von Schülern bei Projekttagen näher beschäftigen und sie im Rahmen von Kurzreferaten vorstellen.
Bei der anschließenden Abstimmung bekam Muhammad Ali die meisten Stimmen der Schüler, gefolgt von Albrecht von Graefe. Der verdankt seinen Sieg letztendlich den Eltern und Lehrern. Die durften ebenfalls mit votieren und setzten ihn auf Platz eins.
Damit seien am Ende alle einverstanden gewesen, betont Schulleiter Guido Schulz. Zumal sich auch einige Schüler dagegen ausgesprochen hätten, die Schule nach einem Boxer zu benennen. "Wir überlegen aber, ob unsere Sporthalle den Namen Muhammad Ali bekommen könnte", so Schulz. Weit vorn bei der Abstimmung landeten übrigens auch noch der Sänger Rio Reiser und Humorist Vicco von Bülow (Loriot).
Im Schulausschuss hat die Entscheidung für Albrecht von Graefe etwas überrascht. "Ich muss mit dem Namen erst noch warm werden", meinte Schulstadtrat Dr. Peter Beckers (SPD). Nicht nur ihn schien zu irritieren, dass sich heutige Jugendliche für einen vor fast 150 Jahren gestorbenen Mediziner begeistern.
Auch aus einem anderen Grund wurde das Ergebnis nicht mit überschwänglichem Beifall aufgenommen. Denn bekanntlich dürfen Straßen und Plätze in Friedrichshain-Kreuzberg nur noch nach Frauen benannt werden. Bei öffentlichen Gebäuden hätte der Bezirk das ebenfalls gern und könnte deshalb den Namensvorschlag noch ablehnen.
Er hoffe, dass das nicht passiert, sagt Schulleiter Schulz. Denn das lange und intensive Auswahlverfahren sei auch pädagogisch sehr wertvoll gewesen. Die Schüler hätten gelernt, wie man Ideen vorbringt, für sie wirbt und wie Abstimmungsprozesse funktionieren. Das habe die Identifikation mit der Schule gestärkt. Sollte der Bezirk das Votum nicht akzeptieren, wäre dieser Erfolg konterkariert und die Enttäuschung groß.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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