"Wer stehen bleibt, muss sich verneigen": Ausstellung zu den Stolpersteinen
Kreuzberg. Mehr als 60 000 Stolpersteine sind inzwischen in 21 europäischen Ländern verlegt worden, sagt Gunter Demnig. Der Kölner Künstler ist der Initiator des Projekts. Bis heute legt er meist noch selbst Hand an, wenn neue Steine verlegt werden. Auch wenn ihn inzwischen ein Team von Mitarbeitern unterstützt.
Demnigs Wirken und der gesamten Initiative ist jetzt eine Wanderausstellung gewidmet, die bis 31. Januar in der Topographie des Terrors, Niederkirchnerstraße 8, zu sehen ist. Sie wurde von der Berliner Koordinierungsstelle erarbeitet.
Die Schau zeigt die Geschichte dieses europäischen Erinnerungsprojekts, besondere Beispiele und manche Akteure, die neben Demnig dahinter stehen. Wobei der Mann mit dem markanten Hut noch immer den Mittelpunkt bildet.
Die Anfänge seien schwer gewesen, erinnert sich der Künstler bei der Vernissage am 14. November an den Start vor mehr als 20 Jahren. Einen entscheidenden Durchbruch hätte damals die Ausstellung "Künstler forschen nach Auschwitz" in der neuen Gesellschaft für Bildende Kunst an der Oranienstraße gebracht. In deren Folge verlegte er mehrere Stolpersteine in der Umgebung. Das Tiefbauamt Kreuzberg wäre darüber nicht besonders erfreut gewesen, sagt Demnig. Am Moritzplatz hätte er einige Steine um ein paar Meter verlegen müssen. Unterstützung sei vor allem von Martin Düspohl, dem Leiter des heutigen Friedrichshain-Kreuzberg Museums, gekommen. Der habe den Einwand der Tiefbau-Verantwortlichen "Sie stellen uns vor vollendete Tatsachen" mit dem Hinweis gekontert: "Das wird noch öfter passieren".
Kleine Quadrate zum Gedenken an die Opfer des Naziterrors im öffentlichen Straßenland zu verlegen, sei zunächst gar nicht seine Idee gewesen, erzählt Demning. Ursprünglich sollten Tafeln an den Häusern angebracht werden. Das könnte aber Ärger mit vielen Eigentümern geben, wurde ihm entgegen gehalten. Die würden wahrscheinlich nicht zustimmen, "außer dann, wenn Albert Einstein in ihrem Gebäude einmal eine Nacht verbracht hat".
Noch immer gibt es Kritiker der Stolpersteine. Sie finden es pietätlos, dass sich darüber jeden Tag viele Passanten bewegen. Die Erinnerung an die Toten werde nach ihrer Ansicht dadurch entwürdigt. Gunter Demnig sieht das ganz anders. Wer stehen bleibt und die Inschriften lesen will, "der muss sich verneigen." tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.