Wohnen an einem tragischen Ort? Initiative protestiert gegen Verkauf der Fontanepromenade 15
Kreuzberg. Das Haus Fontanepromenade 15 wird umgebaut. Solche Arbeiten sind zunächst nicht ungewöhnlich, dort stoßen sie aber auf Empörung.
Die Adresse war Schauplatz der dunkelsten deutschen Vergangenheit. In dem 1906 als Verbandshaus der Fuhrwerks-Gemeinde errichteten Gebäude befand sich zwischen 1938 und 1945 die "Zentrale Dienststelle für Juden" des Berliner Arbeitsamtes. Jüdische Männer und Frauen wurden von dort zur Zwangsarbeit beordert. Das passierte in Abstimmung mit der Gestapo. Sie entschied auch darüber, wer und wann in die Vernichtungslager deportiert wurde. Nach Schätzungen gab es in Berlin rund 26 000 jüdische Zwangsarbeiter.
Über diese Geschichte konnte sich jeder an einer Gedenkstele informieren, die 2013 vor dem Haus aufgestellt wurde. Auch die Bedeutung des Ortes war immer wieder thematisiert worden. An dem Verkauf an einen privaten Immobilieninvestor hat das nichts geändert.
Das Gebäude samt Grundstück war 1950 von einer Mormonengemeinde erworben worden, die dort bis 2010 Gottesdienste abhielt. Seither stand es leer. 2015 wurde das Objekt für angeblich 800 000 Euro angeboten. Dagegen könne wenig getan werden, hieß es damals beim Bezirk. Man hoffe aber, dass das Haus "seiner historischen Bedeutung entsprechend genutzt wird."
Ob das bei einer künftigen Wohn- und Büronutzung der Fall ist, liegt in den Augen des Betrachters. Die Initiative "Wem gehört Kreuzberg" findet dafür die Worte "pietätlos" und "empörend". "Wir halten es für einen absoluten Skandal, dass ein solcher Geschichtsort der Immobilienspekulation geopfert und nicht als Gedenkort/Museum zur jüdischen Zwangsarbeit und zum Holocaust öffentlich genutzt wird", heißt es in einer Pressemitteilung. Ein Kauf durch den Bezirk wurde aber nie ernsthaft erwogen. Zwar fordert ein Antrag der SPD-Fraktion aus dem Jahr 2015, dass das Haus und seine Geschichte nicht in Vergessenheit geraten dürften, die Gedenktafelkommission hatte aber bereits 2013 empfohlen, hier keine weitere museale Gedenkstätte anzustreben, sondern es bei der vorhandenen Gedenkstele zu belassen. So gab es fast folgerichtig den Verkauf an einen privaten Interessenten, der im August 2016 die Genehmigung für sein Bauvorhaben erhielt. Wie zu hören war, ist dabei auch die Untere Denkmalschutzbehörde involviert gewesen. Auch sie hatte anscheinend keine Einwände gegen die Wohnungen und Büros erhoben.
"Wem gehört Kreuzberg" verlangt, die Baugenehmigung zurückzunehmen. Aber dieser Vorstoß kommt wohl zu spät. Auch wenn die Initiative jetzt Landes- und sogar Bundespolitiker sowie bekannte Namen im Bereich der Gedenkkultur für das Anliegen sensibilisieren will. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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