Alte Zicken, stolze Staufer: Mit Stadtgänger Bernd S. Meyer am Hohenstaufenplatz
Kreuzberg. Gleich am Kottbusser Damm kämpfen zwei bronzene Zicken in der Grünanlage. Noch vor eineinhalb Jahrhunderten soll hier eine Ziegenweide gewesen sein – weit vor der königlichen Akzisemauer, der alten Stadtgrenze.
Die einstige Sumpfgegend um den alten Schafgraben, heute Landwehrkanal, war da längst trockengelegt. Ab 1861 gehörte alles westlich des Kottbusser Damms bis zur Hasenheide zum Berliner Stadtgebiet - als Tempelhofer Vorstadt. Aber es dauerte noch, bis im längst geplanten Straßenraster samt Hohenstaufenplatz die Mietskasernen aus dem Boden schossen. Die meisten von ihnen entstanden nach 1880, blieben über die wechselnden Zeiten erhalten. Sogar das einstmals als öffentliche Toilette erbaute ziegelgedeckte Häuschen am südöstlichen Platzende hat Bombenkrieg wie Abrißwut überstanden.
Nicht nur auf der damaligen Berliner Seite stehen die alten Fünfgeschosser. Auch auf der einstigen Rixdorfer Feldflur gleich hinter der Stadtgrenze wurden damals fünfgeschossige Mietshäuser nach Berliner Muster gebaut. So beginnt Neukölln gleich über'm Damm. Seitdem, in der Kaiserzeit und auch danach war ringsum Arbeiterwohngegend mit „besseren Wohnungen“ im Vorderhaus, Stube-Küche mit „ Klo auf halber Treppe“ in Hinterhaus-Quergebäuden und Seitenflügeln. Dazu kamen manche Werkstätten auf den hintersten Höfen, auch einzelne Etagenfabriken, die so typische Kreuzberger Mischung.
Unser Graefekiez
„Unser Graefekiez“ nennen manche Anwohner bis heute voll Stolz die nähere Umgebung von Graefestraße und Hohenstaufenplatz. Preiswertes Wohnen in Gründerzeitbauten, verkehrsberuhigte Straßen und der etwas morbide Charme manch bröckelnder Vorder- und Hinterhausfassaden sind nicht erst seit den achtziger Jahren ein Markenzeichen der Gegend, die sich mit ihrem nach dem äußeren Eindruck eher verschlafenen Charakter deutlich vom „wilden Kreuzberg“ um Oranienstraße oder Kottbusser Tor unterscheidet. Bis heute hat sich das noch gehalten, auch wenn inzwischen jüngere, gutbetuchte Neumieter bereit sind, höhere Mieten zu zahlen, manches Haus, manche Wohnung ihre Besitzer gewechselt hat. Werkstätten gibt es immer noch, aber auch Künstlerateliers, diverse soziale Projekte aber auch neue Geschäfte für gehobene Ansprüche.
Bis heute prangt am rotgeklinkerten Lehrerwohnhaus der einstigen 161. und 192. Gemeindeschule in der Dieffenbachstraße das berühmte Bärenwappen des alten Berliner Magistrats aus den 1890er Jahren. Die Christuskirche der freikirchlichen evangelisch-methodistischen Gemeinde mit dem neugotischen kupfernen Turmspitz, dem Zentralkuppelbau des Kirchsaals und nebenan Haus Bethesda, früher Krankenhaus, nun Pflegeheim, sind seit 1907 das markanteste Bauensemble am Hohenstaufenplatz. Der ist nach der Burgruine Hohenstaufen, dem mittelalterlichen Stammsitz der schwäbischen Stauferherzöge benannt. Sie stellten vom 12. bis zum 13. Jahrhundert mehrere berühmte deutsche Könige und Kaiser, von Friedrich I. Barbarossa bis Friedrich II.
Steinerne Krone
Damals gehörte sogar das Königreich Sizilien zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Stauferkaiser Friedrich II. übte von dort seine Herrschaft aus. Sein achttürmiges Castel de Monte zeugt als unzerstörte „steinerne Krone Apuliens“ von längst vergangener Macht. Seit fast acht Jahrhunderten überragt die gewaltige Burg die Hügel auf dem Absatz des italienischen Stiefels. Erbaut wurde sie etwa zu jener Zeit, da 1800 Kilometer nördlich ein noch ziemlich unbedeutendes Marktstädtchen namens Berlin an flacher Spreefurt erstmals erwähnt worden war.
Der einzige Bau direkt auf Kreuzbergs Hohenstaufenplatz, nämlich das 125 Jahre alte Toilettenhäuschen, mutet da vergleichsweise noch viel bescheidener an. Aber immerhin ist daraus ein beliebter Imbiß geworden. BSM
Autor:Bernd S. Meyer aus Mitte |
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