"Es war ein schwieriges Jahr"
Am Kreuzberg wird wieder Wein "geerntet"
Die Weinlese-Saison hat begonnen. Am Kreuzberg rechnet man mit bis zu 300 Kilogramm Trauben, die hauptsächlich zu Riesling werden. Gehandelt wird der Wein unter dem neuen Namen „Weinungsfreiheit“.
Eigentlich sollten die roten Trauben erst in zwei Wochen runter. Wegen der vielen Wespen ging es für den Spätburgunder nun schon früher los. Die Trauben für den Weißwein können dagegen im Spätsommer noch ein bisschen nachreifen. „Es war ein schwieriges, aber auch gutes Weinjahr“, zieht Silja Jeschke vom Grünflächenamt Bilanz. „Wir hatten viel Regen, keinen Frost.“ Weshalb Jeschke auf dem Kreuzberg mit einer Ernte von 250 bis 300 Kilogramm Trauben rechnet. Das macht unterm Strich 121 halbe Flaschen Rotwein und 352 halbe Flaschen Riesling.
Die 65 Liter für den Spätburgunder aus 90 Kilogramm Trauben lagern bereits in Fässern. Abgefüllt wird der Kreuzberger Wein beim Verein zur Förderung der Britzer Weinkultur ADO in Neukölln. Wegen der früheren Ernte wird es ein „blasser Rotwein“ mit 70 Öchsle. Der Wert bestimmt den Zuckergehalt der Trauben. Perfekt wären um die 90 Öchsle. Dafür sind die Reben komplett unbehandelt, denn Winzer Hannes Lewerenz sprüht keine Pflanzenschutzmittel. „Damit wäre es eigentlich ein Öko-Wein“, sagt Silja Jeschke. Doch das Zertifizierungsverfahren sei für das ehrenamtliche Team zu aufwendig, weshalb der Bezirk sie bisher nicht beantragt hat.
Am Kreuzberg unweit vom Viktoriapark wachsen heute 430 Rebstöcke. 300 davon für den Weißwein, 130 für den Rotwein. Dazu wurden 60 neue Stöcke der Rebsorte Cabertin gepflanzt. Die gezüchtete Rotweinsorte ist pilzresistent und kann in etwa drei Jahren geerntet werden.
Neuer Name
Neu ist auch das Etikett auf den Flaschen. Der Wein heißt seit diesem Jahr „Weinungsfreiheit“ – mit dem Zusatz: „Dieser Wein wurde von einem Team aus unserem Bezirk hergestellt. Wir haben die Reben gepflegt, Trauben gelesen und gekeltert. Weinrechtlich dürfen wir nicht angeben, woher die Trauben stammen, die zu diesem köstlichen Tropfen geführt haben, der vor Ihnen steht. Wir danken dem Team und auch den Partnerstädten Ingelheim und Wiesbaden, ohne die es diesen Wein nicht gäbe.“ Bisher wurde der Wein unter den Namen Kreuz-Neroberger (Weißwein) und Kreuz-Ingelberger (Rotwein) gehandelt. Die Namen kommen daher, weil die Partnerstädte Wiesbaden und Ingelheim dem Bezirk Kreuzberg jeweils Rebstöcke gespendet haben. Wiesbaden schenkte 1968 Riesling-Rebstöcke vom Neroberg, Ingelheim stiftete 1975 Blauen Spätburgunder. Diese Namen sind aber illegal, weil sie zu deutlich auf die Herkunft der Trauben hinwiesen. 2021 startete das Bezirksamt deshalb eine Aktion, um Namensvorschläge zu sammeln. Heraus kam der skurrile neue Name „Weinungsfreiheit“. 2026 will der Bezirk aber einen neuen Anlauf wagen, um dem Kreuzberger Wein eine Herkunftsbezeichnung zu geben. Als Berliner Wein darf der als Landwein eingestufte Tropfen nämlich auch nicht vermarktet werden. Dafür sei der Schutzstatus zu gering, erklärt Jeschke. Das Weingesetz sei hier sehr streng.
Die abgefüllten Weinflaschen gehen nicht in den freien Verkauf. Das Bezirksamt verschenkt sie zu Dienstjubiläen, Abschieden, für Auszeichnungen und als Gastgeschenk für Partnerstädte. Im Shop des FHXB Museums an der Adalbertstraße 95A sind sie aber gegen eine Spende von zehn Euro zu haben. Wein wird nicht nur in Kreuzberg angebaut. Auch am Humboldthain in Mitte und im Stadion Wilmersdorf reifen Trauben heran. Die Reben am Kreuzberg sind aber wohl die ältesten.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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