"Wir sind hier nicht zum Spaß"
Buch beleuchtet 50 Jahre Kunstraum Bethanien

Band zeigt einen Überblick über 50 Jahre Kunst in Bethanien. | Foto:  Repro: Uwe Lemm
  • Band zeigt einen Überblick über 50 Jahre Kunst in Bethanien.
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Aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des Kunstraums Kreuzberg im früheren Krankenhaus „Diakonissenanstalt Bethanien“ am Mariannenplatz ist nun das Buch „Wir sind hier nicht zum Spaß – 50 Jahre Kunstraum Kreuzberg/Bethanien 1973-2023" erschienen. Auf 584 durchgängig rot gedruckten Seiten dokumentieren die jetzigen Macher des Kunstraums, allen vorweg Stéphane Bauer als deren Leiter, die Chronologie ihrer Institution, die sich über Kreuzberg hinaus einen Namen im Kulturbereich gemacht hat.

In dem voluminösen Band im Format einer Handfläche gibt Bauer eine lesenswerte Einführung in die Arbeit seiner Kultureinrichtung, die nach 123 Jahren als Krankenhaus (übrigens mit so prominenten Beschäftigten wie dem jungen Theodor Fontane, der damals noch Apotheker war) am 22. November 1973 mit der Eröffnung einer „Tumult“ auslösenden Ausstellung begann: „Diese Broschüre möchte eine Chronologie aller Ausstellungen und wichtiger Einzelveranstaltungen liefern, die durch das Kunstamt Kreuzberg – ab 2001 mit der Verwaltungsfusion von Friedrichshain und Kreuzberg in Kunstraum Kreuzberg umbenannt – veranstaltet worden sind.“

Stand anfangs vor allem das Thema der Migration im Mittelpunkt und wollte das Kunstamt die damals „isolierte Lage türkischer Arbeitnehmer und ihrer Familien“ durchbrechen und „den deutschen Mitbürgern ein größeres Verständnis für die Probleme der Türken“ vermitteln, wie es im Vorwort eines Kataloges aus jener Zeit hieß, so entdeckten schon bald auch türkischstämmige Künstlerinnen und Künstler die Möglichkeiten, die das Haus ihnen bot. Hanefi Yeter, Mehmet Aksoy oder Azade Köker sind Namen, die Kunstinteressierte heute noch gut im Ohr klingen.

Umstrittene Ausstellungen

Dabei wird allerdings auch deutlich, dass das Wirken des Kunstraums nicht immer reibungslos vonstattengegangen ist, macht der Einleitungstext ebenfalls wieder deutlich, denn wer erinnert sich heute schon noch zum Beispiel daran?: „Einige Ausstellungen haben für Furore gesorgt, zu politischen Eingaben oder Skandalisierungsversuchen geführt. So forderte die CDU bei der Ausstellung ‘Mehmet Berlin’de – Mehmet kam aus Anatolien‘ (1975) in der Bezirksverordnetenversammlung die Absetzung des damaligen Kunstamtsleiters Dieter Ruckhaberle, weil die Ausstellung ‘marxistische Inhalte‘ befördere.“

Doch nicht alle Ausstellungen waren damals so umstritten, wie zum Beispiel die große Schau zum Wirken der Schriftstellerin Bettina von Arnim im Berlin der 1848er Revolution, die auf der Seite 156 fein säuberlich unter ihrem Titel „Herzhaft in die Dornen der Zeit greifen … Bettine von Arnim 1785-1859“ aufgelistet ist.

Seither hat sich der Fokus des Kunstraums Kreuzberg immer wieder gewandelt, gerieten Artikulation und Repräsentation der Stimmen von Minderheiten verstärkt in den Vordergrund. „Seit den 70er Jahren hat sich der Zugang zu Kultur wesentlich verändert: Die Sozialstruktur erfuhr einen enormen Zuwachs an Diversität und Internationalität. Soziale Milieus werden zunehmend durch kulturelle Milieus ergänzt, die ihre eigenen Sprachen, Zugänge und Formen entwickeln. Der Kunstraum Kreuzberg versucht diesem anhaltenden Prozess gerecht zu werden", heißt es weiter in dem Buch.

Und so wird dann der Band für alle, die nicht nur wissen wollen, was in Bethanien so alles gezeigt und veranstaltet wurde, zu einem nützlichen Nachschlagewerk, er ruft auch Erinnerungen an die zuerst West-, später dann Gesamtberliner Kunst- und Kulturgeschichte in und um ein altes Krankenhaus in Kreuzberg wieder wach.

Autor:

Uwe Lemm aus Mahlsdorf

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