100 Jahre Groß-Berlin
Das spielte man um 1920: „Laß dich nicht erwischen!“

Das Spielfeld von "Laß dich nicht erwischen!" ist hübsch illustriert und fiel seinerzeit mit seinem ungewöhnlichen Thema völlig aus dem Rahmen. | Foto: L.U. Dikus
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  • Das Spielfeld von "Laß dich nicht erwischen!" ist hübsch illustriert und fiel seinerzeit mit seinem ungewöhnlichen Thema völlig aus dem Rahmen.
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Brett- und Kartenspiele sind keine Erscheinung erst unserer Zeit, mögen sie auch seit 20, 30 Jahren einen unglaublichen Aufschwung erleben. Doch schon ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es neben Volksgut wie Schach, Dame und Backgammon im Handel zahlreiche Neuheiten. So etwa 1883 „Reversi“ mit seiner faszinierenden Umwandlung gegnerischer Steine per Zangenzug oder ein Jahr später das auch heute noch in jeder gängigen Spielesammlung vertretene „Halma“.

Mit diesen beiden Klassikern vermag das um 1920 bei Klee erschienene „Laß dich nicht erwischen!“ zwar nicht mitzuhalten, weshalb es auch keine größere Verbreitung gefunden hat und längst dem Vergessen anheim gefallen ist. Durch seine asymmetrische Aufgabenstellung in Verbindung mit einem ungewöhnlichen Thema fiel es jedoch seinerzeit völlig aus dem Rahmen.

Bis zu vier Teilnehmer rücken von den Ecken des Spielplans mit ihren Handlangern an, um die in der Mitte grasenden acht Pferde zu stehlen. Ein weiterer Akteur versucht, die Diebe mit dem Schutzmann dingfest zu machen oder ihnen zumindest ihre Beute wieder abzunehmen. Gesteuert wird das Ganze mithilfe eines Augenwürfels. Die Diebe rücken auf einem zwölf Felder langen Zahlenpfad vor. Sind sie auf der Weide angelangt, machen sie sich mit einem Pferd, für das gesondert gewürfelt werden muss, auf den genauso langen Rückweg.

Kommt der Schutzmann an die Reihe, wird für ihn ausgewürfelt, auf welchem der sechs Ringe er im wahrsten Sinne des Wortes seine Runde macht. So wie die Pfade für die Diebe angelegt sind, erreicht das Auge des Gesetzes immerhin 16 Felder. Doch gelingt nur dann eine Verhaftung oder Befreiung, wenn sich Dieb oder Pferd auf einem schwarzen Feld befinden, während sie auf weißen Feldern sicher sind.

Auf dem Hinweg beträgt die Wahrscheinlichkeit für die Verhaftung eines von vier Dieben immerhin rund 30 Prozent. Dagegen können diese sich auf dem Rückweg dem Zugriff weitgehend dadurch entziehen, dass sie nur das Pferd auf schwarze Felder lenken. Während befreite Pferde auf die Weide zurückkommen, kann der Dieb sich wie seine erfolgreichen Kumpane auf eine neue Tour begeben.

Die Würfelkeilerei endet, sobald alle Pferde gestohlen oder alle Ganoven verhaftet worden sind. Es gewinnt die Bande mit der größten Beute oder der Schutzmann, wenn er mehr Pferde sichergestellt hat, als insgesamt gestohlen worden sind.

Dies alles ist durchaus originell, doch leider nicht zu Ende entwickelt. Denn für die Rolle des Schutzmanns bedarf es eigentlich keines Spielers, weil dieser keinerlei Entscheidungen zu treffen hat. Vielmehr handelt es sich um eine bloße Würfelprobe, wen es erwischt und wen nicht. Auch der Handlungsspielraum der Diebe ist kaum größer als bei einer Partie „Mensch ärgere Dich nicht“.

Dank seiner hübschen Illustrationen und Ausstattung könnte „Laß dich nicht erwischen!“ deshalb heutzutage nur als Spiel für kleinere Kinder bestehen. Und da müsste es wegen seines Themas wohl auch mit heftigem Gegenwind rechnen.

Das Spielfeld von "Laß dich nicht erwischen!" ist hübsch illustriert und fiel seinerzeit mit seinem ungewöhnlichen Thema völlig aus dem Rahmen. | Foto: L.U. Dikus
"Laß dich nicht erwischen!" ist um 1920 bei Klee erschienen. | Foto: L.U. Dikus
Autor:

L.U. Dikus aus Kreuzberg

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