Jenseits der Rampe
"Die verkehrte Welt" im Theaterforum

Narr Skaramuz (Michael R. Scholze) als König. | Foto: Manfred Eulenbruch
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  • Narr Skaramuz (Michael R. Scholze) als König.
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77 Zuschauer passen in das Theaterforum Kreuzberg. Zur Premiere von "Die verkehrte Welt" am 26. Oktober waren alle Plätze belegt. Aber nicht nur mit "normalen" Besuchern.

Vielmehr agierten von dort auch Schauspieler. Als Erklärer, Kommentatoren oder Anklatscher. Ein Darsteller wechselte vom Publikum auf die Bühne, eine Kollegin trat den entgegen gesetzten Weg an.

Diese Szenerie bildete eine von mehreren Handlungsebenen. Auch der Aufbau des Stücks ist, angelehnt an den Titel, verkehrt. Es beginnt mit dem Epilog.

Geschrieben hat das Werk der romantische Dichter Ludwig Tieck (1773-1853). Seine Uraufführung sah es erst mehr als 120 Jahre nach dem Tod des Autors, 1974 im Berliner Schiller-Theater. Zehn Jahre zuvor hatte es eine Inszenierung am französischen Gymnasium gegeben. Schon dieser Werdegang ist einigermaßen skurril. Ebenso wie der Inhalt. Beides hängt wahrscheinlich miteinander zusammen.

Einen Rahmen bildet die Aufführung einer Theatergruppe, bei der die Rollen neu verteilt werden. Skaramuz, der Narr, will König sein. Er wird es und findet sich in dieser Position ziemlich gut. Es vermischen sich die Ebenen zwischen Spiel und Realität. Auf die Spitze getrieben durch eine Theatervorstellung, die sich der König gönnt, bei der es wiederum um ein Theaterstück geht.

Es wird also zeitweise ziemlich wirr, worauf nicht zuletzt die Zuschauer-Akteure hinweisen. Wer noch nicht durchsteigt, wird die Lösung im Finale finden, das eigentlich ein Anfang ist und sich, ohne zu viel zu verraten, mit dem ewigen Kreislauf von Aufstieg und Niedergang beschäftigt. Wer nicht alles versteht, muss sich aber nicht sorgen. Vernunft sei nicht unbedingt das Allheilmittel, um manchem auf den Grund zu gehen, lautet eine Handlungsanleitung. Zusammengefasst in dem Satz: "Wer mit Vernunft die Vernunft hinterfragt, ist schon wieder vernünftig".

Vielmehr steht das Spiel im Vordergrund und das, was hinein geheimnist oder daraus gezogen werden kann. Dargeboten mit unterschiedlichen Anklängen aus der Theatergeschichte, von der griechischen Tragödie über das Rührstück bis zur Groteske. Und das nicht nur diesseits, sondern auch "jenseits der Rampe".

Anhand dieser Blaupause lassen sich dann einige Metaphern oder Weisheiten erkennen. Das Streben nach Aufstieg und Anerkennung. Mut und Zaghaftigkeit. Suche nach Veränderung und Unzufriedenheit, wenn sie eintritt. Das und noch mehr oft in nachwirkenden Bildern und Szenen erzählt, einschließlich musikalischen Beigaben und 15 Schauspielern, die in insgesamt 40 Rollen agieren.

Zeitgenössische Autoren des absurden Theaters wie Eugene Ionesco standen bereits in den vergangenen Jahren auf dem Spielplan des Theaterforums. Dessen Regisseurin Anemone Poland hat sich bei den Eigeninszenierungen schon lange auf unbekannte Werke oft vergessener Verfasser spezialisiert. Ludwig Tieck gehört ebenfalls in diese Kategorie. Mit "Die verkehrte Welt" schuf er ein Werk, das als eine Art Ahnherr des Absurden zu bewerten ist.

Theaterforum Kreuzberg, Eisenbahnstraße 21. Das Stück wird bis zum 25. November Freitag bis Sonntag aufgeführt. Beginn ist jeweils um 20 Uhr. Eintritt: 18, ermäßigt zehn Euro. Besitzer eines Berlin-Passes bezahlen fünf Euro. Karten unter ¿70 07 17 10, www.tfk-berlin.de. Am 7. und 14. November gibt es um 20 Uhr außerdem ein szenische Lesung des Werks "Leben und Tod des kleinen Rotkäppchens" von Ludwig Tieck. Die Tickets kosten zwölf, ermäßigt acht Euro.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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