Erdkunde statt neuer Erkenntnisse: Umstrittene Dealer-Ausstellung ist eher nichtssagend

Solche Pappmachefiguren sollen in der Ausstellung für die interviewten Dealer stehen. | Foto: Thomas Frey
3Bilder
  • Solche Pappmachefiguren sollen in der Ausstellung für die interviewten Dealer stehen.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Die Schau hat bereits vor ihrem Beginn großen Wirbel gemacht. Drogenhändler als eine Art Helden im öffentlichen Raum zu würdigen, wie der Ankündigungstext suggerierte, geht das?

Bis 14. Januar kann sich jeder dazu eine Meinung bilden. So lange ist noch im Friedrichshain-Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95a, die Ausstellung "Andere Heimaten" des Künstlers Scott Holmquist zu sehen. Im Mittelpunkt stehen Drogenhändler, die im Görlitzer Park ihrer "Arbeit" nachgehen. Wer allerdings erwartet, etwas über ihre Biografie oder den Weg ins Dealergewerbe zu erfahren, wird enttäuscht. Die beiliegenden Texte, die per Abrissblätter mitgenommen werden können, geben darüber keine Auskunft. Sie kommen vielmehr wie eine Mischung aus Erdkunde und Ethnologie daher.

Dealer B. – es gibt immer nur einen Anfangsbuchstaben und kein Alter – sagt zum Beispiel, er stamme aus Brazzaville, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo. Es folgt eine Stadttopografie, einschließlich Architektur und Temperatur. Auch solche tiefgründigen Erkenntnisse wie die, dass der Flughafen von Brazzaville auch als Airport der benachbarten Metropole Kinshasa dient, wird erwähnt. Aber keine Angaben, wie und wo der Mensch dort lebte und was ihn zur Flucht nach Europa bewog.

Und das nicht nur in diesem Fall. Der Leser kennt nun zwar einige weitere Orte in Senegal, Nigeria oder Gambia, woher die meisten vorgestellten Suchtmittelverkäufer stammten. Er weiß jetzt mehr über dortige Autobahnkreuze, Fußballvereine oder die Dauer der Regenzeit. Das alles noch garniert mit Fotos. Eine Postkartenattitüde, die aber eher die Frage aufwirft, warum diese Leute ihre Heimat verlassen haben.

Einige Informationen gibt es immerhin zur Migrationsroute. Schon weil die dann Eingang in eine große Karte in der Ausstellung fanden. Dealer B. kam schon vor einem Jahrzehnt über Mali und Algerien und dann per Boot nach Europa. Den oft tödlichen Weg über das Mittelmeer von Libyen aus nannten ebenfalls einige als Teil ihrer Fluchtpassage. Andere gaben an, per Flugzeug gelandet zu sein. Manche wollten ihre einzelnen Stationen aber auch nicht genauer "spezifizieren".

Je mehr das Vertiefen in die Texte dauert, umso mehr stellt sich die Frage: Was soll das Ganze? Eine ähnliche Einschätzung gibt es bei vielen Einträgen im Gästebuch. Zwar wird dort die Schau auch als "interessant", "mutig" oder "gelungen" gewürdigt. Aber oft verbunden mit dem Zusatz, dass mehr Angaben zur Geschichte der Dealer-Protagonisten vermisst wurde. Andere Besucher formulieren härter, schreiben von "vertaner Chance" oder dem "Niveau eines Reiseführers". Auch dass gerade diese Personengruppe als Exempel für "Andere Heimaten" herhalten soll, stieß ebenfalls auf Ablehnung. Besser wäre eine Ausstellung über Flüchtlinge gewesen, die mit ehrlicher Arbeit versuchen, in Deutschland Fuß zu fassen, lautete ein Kommentar. Ein anderer: "Es gibt Gründe, warum Menschen nach Europa kommen. Aber mit Drogen zu dealen, ist kein Grund."

Nicht nur dieses Pro und häufige Contra lässt auf ein anderes Ziel schließen, das die Ausstellung zumindest als wichtigen Nebeneffekt verfolgt. Nämlich die öffentliche Auseinandersetzung, die wiederum für Aufmerksamkeit sorgt. Ähnlich großen Platz wie die Dealer-Statements in Form von Landeskunde nehmen Zeitungsartikel ein, die in vergangenen Jahren und sogar Jahrzehnten zum Thema Drogen, Handel und Händler verfasst wurden. Darunter natürlich auch diejenigen, die im Vorfeld der Eröffnung erschienen sind. Das vermittelt den Eindruck, als wäre die Aufregung bereits eingepreist gewesen.

Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags  jeweils von 12 bis 18 Uhr, Eintritt frei.
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

50 folgen diesem Profil

2 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 849× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 364× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 695× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 774× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 348× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.