Gedenken an Erich Schulz auf dem Friedhof Columbiadamm
Erich Schulz war das erste Berliner Todesopfer aus den Reihen des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“. Am 25. April 1925 wurde er auf offener Straße erschossen. Genau 93 Jahre später gab es für ihn eine Gedenkfeier auf dem Friedhof am Columbiadamm 122.
Das Reichsbanner war ein parteiübergreifender „Wehrverband“ zum Schutz der jungen Weimarer Republik. Sozialdemokraten, Mitglieder der Deutschen Demokatischen Partei (DDP) und des katholischen Zentrums setzten sich für die Achtung der neuen Verfassung ein. Ihm gehörten vor allem ehemalige Soldaten an, die im Ersten Weltkrieg gekämpft hatten. Der junge, parteilose Kreuzberger Lagerarbeiter Erich Schulz war seit dem Gründungsjahr 1924 dabei.
Auch wenn es heute seltsam anmutet: Paramilitärische Organisationen waren damals an der Tagesordnung, es gab Dutzende. Die Freunde der Weimarer Republik hatten es mit vielen bewaffneten Feinden zu tun und bewaffneten sich ebenfalls. Beispielsweise gründeten die Kommunisten 1924 den „Roten Frontkämpferbund“, ein Jahr zuvor hatten sich Ultra-Rechte zum „Bund Wiking“ zusammengetan. Zu ebendieser Gruppe gehörte der Mörder von Erich Schulz.
Schulz war mit Mitstreitern auf einem offenen Möbelwagen in Schöneberg unterwegs, um Wahlkampf für Wilhelm Marx von der Zentrumspartei zu machen, der gegen Paul Hindenburg für das Amt zum Reichspräsidenten kandidierte und später recht knapp unterlag. Wie auch immer: Das Auto wurde von den Rechten angehalten. Der 21-Jährige Alfred Rehning schoss auf den sechs Jahre Älteren. Schulz starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Die Tat blieb ungesühnt. Ein Schwurgericht sprach Rehning vom Vorwurf der tödlichen Körperverletzung mit Todesfolge frei.
„Die Polizei ermittelte schnell, Anklage wurde zügig erhoben, doch die Justiz war auf dem rechten Auge blind“, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) auf der Gedenkfeier. Zwar seien beim Täter eine geladene Pistole und zwei Reservemagazine gefunden worden. Doch das Gericht argumentierte, er sei schließlich im Besitz eines Waffenscheins gewesen, und ein Entkommen des politischen Gegners hätten ihm Spott und Beschimpfungen aus den eigenen Reihen eingebracht. Sie erkannten auf Notwehr. „Ein trauriges Lehrbeispiel dafür, was passiert, wenn ein Staat nicht auf extremistische Täter reagiert“, so Geisel. Er zitierte eine Historikerin, die vom Reichsbanner als „der größten vergessenen Millionenorganisation“ in der Weimarer Republik spricht. Tatsächlich wuchs sich bereits die Beerdigung von Erich Schulz zu einer der größten Demonstrationen der Berliner Arbeiterschaft im Jahr 1925 aus, wie Johannes Tuchel von der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ erklärte.
So sollte es bleiben. Bis zur Machtergreifung Hitlers 1933 gab es auf dem Gottesacker, der damals noch Garnisonsfriedhof hieß, am Todestag von Schulz regelmäßige Veranstaltungen und Kundgebungen. Erstaunlicherweise überstand der Grabstein die Zeit des Faschismus. Tuchel hat eine Vermutung, warum: „Die Nazis haben sich nicht getraut, ihn wegzumachen, weil ‚Kamerad’ draufstand.“ Schließlich benutzten sie diese Bezeichnung selbst.
Neben fünf Reichskanzlern hatte das Reichsbanner so bekannte Mitglieder wie Philip Scheidemann, Otto Wels, Julius Leber, Kurt Schumacher, Paul Löbe und Theodor Heuss. Im Jahr 1953 gründete sich die Organisation als Verein „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold – Bund aktiver Demokraten“ neu. Seitdem widmet er sich besonders der politisch-historischen Bildungsarbeit. Die Mitglieder haben für die Restaurierung des Grabsteins gesorgt und dafür, dass es im vergangenen Jahr zum ersten Mal nach langer Zeit wieder ein öffentliches Gedenken an den Ermordeten gab. Es wird nicht das letzte bleiben.
Wer mehr wissen will: In der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstraße 13, läuft die Ausstellung „Für Freiheit und Republik! Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.