Was wird aus dem Karneval?
Konsequenzen der Absage sind noch nicht absehbar
Eines der ersten Opfer der Corona-Krise war der Karneval der Kulturen. Bereits am 12. März wurde Berlins wahrscheinlich größter Massenevent für dieses Jahr ausgesetzt.
Der Karneval sollte zwar wie gewohnt erst am Pfingstwochenende, 29. Mai bis 1. Juni, stattfinden. Das wäre nach den bisher geltenden Verboten für Großveranstaltungen, die zumindest aktuell bis 19. April terminiert sind. Aber es weiß gerade niemand, ob diese Frist nicht verlängert wird. Deshalb mache es wenig Sinn, die umfangreichen Vorbereitungen für den Karneval weiterlaufen zu lassen.
Die Absage wäre bereits zu einem Zeitpunkt gekommen, "zu dem die meisten Planungen abgeschlossen und wir in die Phase der Durchführung eingetreten waren", heißt es in einer Stellungnahme von Organisationschefin Nadja Mau. Und vieles davon werde sich auch nicht für eine nächste Auflage konservieren lassen.
Der Karneval der Kulturen ist ein Mammutunternehmen. Dafür stehen bereits die Besucherzahlen. Insgesamt rund eine Million Menschen kommen jedes Jahr zum viertägigen Straßenfest am Blücherplatz und der traditionellen Parade am Pfingstsonntag zwischen Hermannplatz und Möckernstraße. 2019 beteiligten sich 74 Gruppen mit mehr als 4400 Akteuren am Umzug. Über 300 Stände, drei Bühnen und zehn sogenannte "Music Corner" gab es auf der Festmeile. Die Gesamtkosten wurden zuletzt mit 1,7 Millionen Euro angegeben. Davon kamen rund 830 000 Euro von der Senatskulturverwaltung.
Es geht um zahlreiche Arbeitsplätze
Wie bei fast allen von Corona betroffenen Veranstaltungen geht es auch beim Karneval um zahlreiche Arbeitsplätze und Auftragnehmer, vom Bühnenauf- und -abbau über die Standbetreiber bis zu den Künstlern. Indirekt sind auch die vielen Gaststätten, Geschäfte, Clubs, überhaupt die Tourismusbranche, die von den Karnevaltagen profitieren, betroffen. Und es geht um die Gruppen und ihre bisherigen Vorbereitungen.
Alle seien sich dabei ihrer Verantwortung bewusst, hob Nadja Mau ebenfalls hervor. "Es gab keine einzige Stimme, die den Schritt der Absage kritisiert hätte." Mit allen Beteiligten werde jetzt überprüft, was für eine nächste Auflage erhalten und welche anderen Formen der Karneval annehmen könnte. Auch wenn es zu früh sei, über die Zukunft zu reden.
Aktuell habe die Kulturverwaltung, so wie gegenüber anderen Kulturschaffenden, große Unterstützungsbereitschaft signalisiert. Das bedeute, dass geschlossene Verträge und eingegangene Verpflichtungen eingehalten werden dürften. Auch die weiteren Unterstützer hätten sich "als reale Partner des Karnevals erwiesen". Aber natürlich seien die Organisatoren auch zur Schadensminimierung verpflichtet.
Zukunft stand immer wieder infrage
Den Karneval der Kulturen gibt es seit 1996. Er hätte in diesem Jahr zum 25. Mal stattgefunden. Bereits in der Vergangenheit stand seine Zukunft immer wieder infrage. Es gab finanzielle Probleme, auch Kritik an den riesigen Menschenmassen und damit verbundene Nebenwirkungen wie Müll und Lärm. Zuletzt waren ausgeweitete Sicherheitsauflagen die größte Herausforderung. Weitere Straßen wurden gesperrt, was bei vielen Anwohnern nicht gerade auf Begeisterung stieß, Routen für die Besucher eingeschränkt. Und immer wieder gab es auch Diskussionen um einen neuen Ort, zum Beispiel auf dem Tempelhofer Feld.
All das hat der Karneval der Kulturen bisher überlebt und konnte trotz mancher Turbulenzen im Vorfeld immer stattfinden. Als "Statement für eine weltoffene und friedliche Gesellschaft", das jetzt ausgerechnet zum Jubiläum fehlen werde, so Nadja Mau. Oder auch profaner, als traditioneller Feiertermin für viele zu Pfingsten. In der aktuellen, nie dagewesenen Situation, deren Weiterentwicklung noch überhaupt nicht absehbar sei, wäre aber "die unvermeidliche Absage unserer Veranstaltung von nachgeordnete Bedeutung", machte die Chefin ebenfalls deutlich. Gleichzeitig gebe es sehr viele Menschen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollen, die viel für den Karneval der Kulturen tun. Solange es sie gibt, "wird es diesen Karneval in irgendeiner Form geben".
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.