Vorhaben finden fast alle gut
Rückenwind für das Exilmuseum
André Schmitz hatte ein Heimspiel. Der ehemalige Chef der Senatskanzlei und Kulturstaatssekretär war am 22. August in den Kulturausschuss gekommen, um das Projekt Exilmuseum vorzustellen.
Seit die Idee im Juni zum ersten Mal im Stadtplanungsausschuss präsentiert wurde, ist das Vorhaben in der öffentlichen Diskussion. Es soll am Anhalter Bahnhof entstehen und an den Exodus mehrerer hunderttausend Menschen in der Nazizeit erinnern. Denn für viele begann die Flucht an diesem Ort. Gleichzeitig sei geplant, die Geschichte von Verfolgung und dadurch verursachter Massenmigration bis heute dort zum Thema zu machen, erklärte André Schmitz.
Als Museumsfläche ist das Areal zwischen der Eingangsruine des Bahnhofs und dem daneben liegenden Sportplatz vorgesehen. Weil der bisher als Grünbereich festgeschrieben ist, muss der Bebauungsplan geändert werden. Der Ex-Staatssekretär ist inzwischen Vorsitzender der Stiftung Exilmuseum, die das Projekt vorantreibt. Dabei handle es sich um eine private Initiative, die zumindest bisher davon ausgehe, das Geld dafür selbst aufzutreiben.
Bedarf: 30 Millionen
Es soll von Bernd Schultz kommen, dem ehemaligen Chef des Kunstauktionshauses Villa Grisebach, wie Schmitz ausführte. Der finanziere bereits seit einem Jahr ein Büro und seine Mitarbeiter mit einer sechsstelligen Summe. Außerdem plane Schultz den Verkauf seiner privaten Sammlung. Die habe zwar einen großen Wert, der aber für die Baukosten wahrscheinlich nicht ausreiche. Sie wurden mit rund 30 Millionen Euro beziffert. Was zu diesem Betrag noch fehlt, sollen Spenden abdecken. Sollte sich die Bundesrepublik Deutschland am Museum beteiligen, werde diese Unterstützung nicht zurückgewiesen. Sie ist aber bisher nicht eingepreist.
Die Ausstellung werde multimedial und mit interaktiven Beteiligungsmöglichkeiten konzipiert. Sie soll auch nicht nur an prominente Namen erinnern, die ins Exil getrieben wurden. Die Biografie und das Schicksal vieler Unbekannter werde ebenfalls Thema. Von der Möglichkeit, das Museum in Kreuzberg und am Anhalter Bahnhof anzusiedeln, waren fast alle begeistert. Auch weil sich in der Nachbarschaft weitere Einrichtungen befinden, die sich mit der Nazizeit und ihren Folgen beschäftigten, merkte Kulturstadträtin Clara Herrmann (Bündnis90/Grüne) an. Von der Topographie des Terrors in der Niederkirchner Straße bis zum geplanten Dokumentationszentrum Flucht und Vertreibung vis-à-vis in der Stresemannstraße.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Sebastian Forck, der im Stadtplanungsausschuss noch einige Vorbehalte gegen den Standort am Anhalter geäußert hatte, kann sich inzwischen ebenfalls damit anfreunden. Inhaltlich hätte er das Projekt ohnehin von Anfang an begrüßt. Wichtig sei seiner Fraktion allerdings, dass der Neubau nicht zu Lasten des Sportplatzes gehe. Was nicht vorgesehen ist.
Ein Gentrifizierungsmotor?
Vorbehalte äußerte lediglich CDU-Fraktionschef Timur Husein. Nichts gegen ein Exilmuseum, aber das könne auch an anderer Stelle gebaut werden. Das Quartier habe aber schon jetzt unter Gentrifizierung zu leiden. Dass ausgerechnet hier der Bezirk einem privaten Investor entgegen kommen will, hielt er für einigermaßen ungewöhnlich. Auch die Frage der Bürgerbeteiligung sprach der CDU-Mann an. Und ganz persönlich habe er das Problem, dass durch das Exilmuseum die Erinnerung an die knapp 10 000 Juden verdrängt werden könnte, die vom Anhalter Bahnhof aus ihre Reise in die Vernichtungslager antreten mussten. Timur Husein machte gleichzeitig deutlich, dass es in seiner Fraktion unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema gibt. Auch, um möglicherweise noch einen Konsens zu finden, beantragte er, die Drucksache zur Veränderung des Bebauungsplans zu vertagen.
Das hält den weiteren Fortgang aber nicht auf. Ohnehin ist zunächst vorgesehen, die Ergebnisse des Wettbewerbs abzuwarten, ehe das Gelände geplant werden soll, etwa mit der Vorgabe, den B-Plan nur für den Zweck einer kulturellen Nutzung zu ändern. Ebenso soll es Absicherungen geben, damit auf keinen Fall eine Investmentruine entsteht. Im Gegenzug soll das Grundstück per Erbbaupacht an die Museumsstiftung gehen, alles im Sinne von André Schmitz, der sich auch offen für eine Kooperation des Museums mit Kulturprojekten im Bezirk zeigte. Ihm kam es vor allem auf eine insgesamt positive Haltung der Verantwortlichen in Friedrichshain-Kreuzberg an.
Die hat er bekommen, einschließlich eventuell noch einer gemeinsamen schriftlichen Bestätigung, zu der sich, so die Idee, mehrere Fraktionen zusammen finden sollten.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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