Die ersten Seiten eines Mammutwerks
Start des Dialogverfahrens zur neuen Zentralbibliothek
Das Vorhaben ist eines der spannendsten und ambitioniertesten Bauprojekte im Bezirk: der Neubau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) am Blücherplatz. Auch wenn es noch mindestens ein Jahrzehnt dauern wird, bis es fertig ist. Aber zumindest ein Anfang ist jetzt gemacht.
Am 23. September begann das Dialogverfahren zur Machbarkeitsstudie für den Neubau der ZLB. Schon der Titel unterstreicht das sehr frühe Stadium. Verglichen mit einem Buch, was hier nahe liegt, bedeutet das, es wird jetzt am Vorwort geschrieben. Aber schon da findet sich normalerweise einiges darüber, wie die Geschichte weitergehen soll.
Der Senat hat nach langem Hin und Her beschlossen, dass die neue ZLB am Blücherplatz errichtet werden soll. Dort befindet sich bereits die Amerika-Gedenkbibliothek (AGB), neben der Stadtbibliothek in Mitte und dem Magazin in Moabit einer ihrer Ableger. Um die AGB herum sollen weitere Gebäude entstehen.
Geplant ist ein Gesamtkomplex, für dessen Nutzungsfläche ein Volumen von rund 38 000 Quadratmetern prognostiziert wird. In welcher Anzahl, Form oder Anordnung ist ein Thema für spätere Kapitel. Es geht, worauf die zu erarbeitende Studie hinweist, zunächst um die Frage, was überhaupt machbar ist. Wie soll diese Bibliothek der Zukunft aussehen, welche Angebote sind gewünscht? Dabei spielen auch weitere Punkte eine Rolle: die Freiraumplanung, die nähere und weitere Umgebung, der Verkehr. Das und noch mehr soll nicht zuletzt unter aktiver Beteiligung interessierter Bürgerinnen und Bürger stattfinden. "Bibliothek findet Stadt", unter diesem Label bewirbt die ZLB diesen Prozess. Beginnend mit dem Dialogverfahren.
Das erwies sich zunächst einmal als sehr intensiv. Mehr als drei Stunden dauerte die Veranstaltung in der Forum Factory an der Besselstraße. Über weite Strecken wurde an einer „langen Werkbank“ zum Erarbeiten von Ideen und Anregungen aufgefordert. Was dabei herauskam, war erst einmal eine Menge Material. Manches vielleicht erst einmal im Reich der Phantasie oder sogar Utopie angesiedelt, anderes nachdenkenswert, einiges ziemlich fundiert.
Konzepte für die Mobilität gefragt
Gerade die Auswirkungen und Konsequenzen des Bibliotheksneubaus nahmen einen breiten Raum ein, speziell was die Mobilität betraf. Wenn es dafür keine Lösungen gebe, bräuchte man über den Neubau und seine Angebote gar nicht zu reden, meinte ein Mann bereits, bevor die Arbeit an der Werkbank begann. Heißt: weniger Autos, die Straßen für andere Nutzungen freigeben, konkret etwa die Aufgabe der Blücherstraße entlang des AGB-Grundstücks. Stattdessen solle eine Parkverbindung mit den gegenüber liegenden Friedhöfen geschaffen werden. Die könnten gleichzeitig zu einem Friedhofpark umgestaltet werden.
Bei den markanten Gebäuden in der Nachbarschaft wurde mehrmals auf die Heilig-Kreuz-Kirche als ein Anknüpfungspunkt für das künftige Bibliotheksquartier verwiesen. Die Grünfläche Blücherplatz spielte ebenfalls eine Rolle. Auch weil es dort noch einen Baum gibt, der aus den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts stammt. Ebenso wie der Einrichtungsmarkt vis-à-vis der AGB. Der könnte doch zum Beispiel als Magazindepot in die Neubaupläne integriert werden.
Nicht nur die neue ZLB mit ihren dann erwarteten mindestens 10 000 Besuchern am Tag wird für mehr Menschen in diesem Gebiet sorgen. Gleiches gilt für die Baupläne auf dem nicht weit entfernten Dragonerareal. Beide Vorhaben mehr zusammenzudenken wurde ebenfalls angemahnt. Und für den Transport der vielen Besucher kam die Idee einer Seilbahn ins Spiel. Vom U-Bahnhof Hallesches Tor zur Bibliothek, aber auch zu anderen Orten bis hin zum Anhalter Bahnhof.
"Kathedralen der Moderne"
Und der Neubau selbst? Soll ein Ort werden, der noch einiges mehr ist als ein Haus zum Ausleihen oder Konsumieren von Büchern und anderen Medien. Schon bei den Einführungsreden kam das zum Ausdruck, angefangen bei Kultursenator Klaus Lederer (Linke). Von "Kathedralen der Moderne" war die Rede, dem heutigen Treffpunkt der Stadtgesellschaft, einschließlich Arbeitsplätzen, Veranstaltungen, Gastronomie sowie Ausstellungen, etwa durch den Neuen Berliner Kunstverein (nbk), der ebenfalls als Nutzer einziehen soll. Es soll Angebote geben für viele Interessen- und jede Altersgruppe.
Aber das ist eher das Ende des Mammutwerks. Dessen nächste Seiten sollen erst einmal durch eine öffentliche Veranstaltung am Freitag, 25. Oktober, gefüllt werden. Sie findet von 16 bis 19 Uhr ebenfalls in der Forum Factory, Besselstraße 13, statt. Ihr schließt sich bereits einen Tag später eine erste Planungswerkstatt an. Mit dabei sind auch Teilnehmer des Dialog-Auftakts, die sich dafür gemeldet hatten. Ein weiteres Forum sowie eine Werkstatt sind für den 18. und 21. November terminiert und für den 17. Januar 2020 eine erste Abschlussveranstaltung.
Bei dem Verfahren sind darüber hinaus weitere Akteure beteiligt. Architekten- und Landschaftsplanungsbüros, etwa die Berliner Dependance von David Chipperfield, die ZLB, der Bezirk und nicht zu vergessen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Der Auftakt verlief noch in großer Harmonie zwischen all diesen Mitspielern und denen der sogenannten Zivilgesellschaft. Aber wie bei jeden guten Buch nimmt auch hier wahrscheinlich die Spannung zu, je mehr die Handlung fortschreitet.
Weitere Informationen zum ZLB-Projekt und dem weiteren Verfahren finden sich auf den Websites www.zlb.de oder www.stadtentwicklung.berlin.de.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.