Star-Plätze mit echter Kaffeehauskultur
Zwei Berliner präsentieren ihre persönlichen "Kuchenoasen"
Potterlich geheimnisvoll bei Frau Behrens, höfische Tradition im "Buchwald", heimelige Bürgerstube im "Kredenz" oder gedichtete Liebe im "Anna Blume": In Berlin gibt es Kaffeehäuser, die sind so originell und mondän, dass Espresso, Cappuccino und Co. zur koffeinhaltigen Nebensache werden. Die „Kuchenoasen“ stellen sie vor.
Berlin quillt über von Cafés. Doch nur wenige haben ihn: den Geist echter Kaffeehauskultur, wo die Torten noch handgemacht sind, das Ambiente originell und die Stimmung mußevoll. Wo der Flaneur einfach nur sitzt und genießt. Jörg Bremer und Arthur-Iren Martini fanden diese besonderen Cafés und beschreiben sie in ihrem gerade veröffentlichten Buch „Kuchenoasen – Berliner Café-KulTour“. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit. „Wir haben nur Plätze ausgewählt, die uns persönlich gut gefallen“, erklärt Arthur-Iren-Martini. Wichtig war ihnen die Qualität der Kuchen, der Service und das Flair oder die Originalität der Örtlichkeit. In einer alten Villa zum Beispiel. Oder mit schönem Blumenschmuck auf den Tischen, besonderen Gemälden an der Wand oder einem Antiquariat im Nebenraum. Ansprechend fanden die beiden Connaisseure auch Kaffeehäuser, in denen es kein WLAN gibt, wohl aber Tageszeitungen und „eine Kaffeehaus-Stimmung von Gelassenheit und Muße“, wie es Jörg Bremer in seinem Vorwort formuliert.
Wer jedoch denkt, die „Kuchenoasen“ seien auf zehn Seiten schnell mal so aufgezählt, der irrt. „Wir wollten keinen Touristenführer machen und auch keine Hitparade der Cafés“, sagt Martini. Vielmehr haben sich die Autoren dafür entschieden, den Geist der Orte feuilletonistisch einzufangen. Die Leichtigkeit der Käsetorten im "Princess Cheesecake" und die Tradition im untergegangenen "Kranzler" sind ebenso literarisch unterhaltsam beschrieben wie die poetische Weltenreise im "Tasso" oder die laut Bremer harry-potterlich geheimnisvolle Gemütlichkeit bei "Frau Behrens". Für die ästhetische Kaffeehaus-Optik hat Henning Kreitel mit seinen „lyrischen“ Augen gesorgt. Was nicht immer einfach war, wie der Fotograf erzählt. Einmal fühlte sich ein Gast von ihm so gestört, dass der sich beim Chef beschwerte und Henning Kreitel samt Kamera aus dem Café flog.
Wie aus einer anderen Zeit
Im Buch steht natürlich nichts davon. Muss es auch nicht. Die 20 vorgestellten Kuchenoasen sind reich an Anekdoten. Wie das "Kredenz" in der Charlottenburger Kantstraße, die kleine Café-Oase mit Filmruhm. Dort wurde zwischen Biedermeier-Behaglichkeit und nachgeahmtem Barock die deutsch-israelische Produktion „The Cakemaker“ gedreht. Ein junger Geschäftsmann aus Israel verliebt sich über Cakes und Torten in einen Berliner Filmkonditor. Den Konditor gibt es im „Kredenz“ zwar nicht, dafür aber Frau Maria, die als Gastgeberin in ihrem privaten Salon polnische Mohntorte kredenzt. In der Backstube vom „Café Einstein Unter den Linden“ in Mitte – mit Stammsitz in Schöneberg – gibt dagegen Österreichs Hauptstadt Wien den süßen Geschmack vor. Dort servieren elegante Kellner in weißen Schürzen und schwarzer Fliege Politikern, Diplomaten und Lobbyisten „Schlagobers“, „Fiaker“ und „Neumann“. Die Mutter aller Kaffeehäuser aber ist die altehrwürdige Konditorei „Buchwald“ in Moabit. Mit seinem berühmten Baumkuchen versorgte Gustav Buchwald als Hoflieferant einst das preußische Königshaus. Bei „Frau Behrens Torten“ in der Kreuzberger Bergmannstraße erzählen vor allem die Möbel von längst vergangenen Epochen.
Im „Tasso“ an der Frankfurter Allee in Friedrichshain findet sich der Gast zwischen „Stalin und erfundenen Welten“ wieder. Das Literaturcafé ist für sein Antiquariat und seine Bildervernissagen bekannt. Den Bildband in der Hand sitzt man dort bequem am Fenster mit Blick auf die Stalin-Architektur auf der anderen Straßenseite. Lässig zu geht es auch im „Anna Blume“. Unter dem gleichnamigen Liebesgedicht des Dadaisten Schwitters entschleunigt der Gast in himbeerroten Sofas bei selbst gemachter Marzipantorte oder Zitronentarte. „Herrschaftlich, dieser Tortentempel“, schwärmen die Autoren für das Café an der Kollwitzstraße in Prenzlauer Berg.
Flucht aus schnoddrigem
Berliner Alltag
Ihre „Café-KulTour“ begannen Jörg Bremer, Arthur-Iren Martini und Henning Kreitel im September 2019. Bremer und Martini kennen sich aus Studententagen. Jörg Bremer (69) ist Historiker, Jurist und schrieb als Auslandskorrespondent für die FAZ. Arthur-Iren Martini (72) ist Jurist. Nach ihren unterschiedlichen Karrieren beschlossen sie, sich wieder regelmäßig zu treffen – zur Kuchen-Stunde in unterschiedlichen Berliner Konditoreien. Beide hätten nie gedacht, dass daraus ein Buch werden würde. Aber so war es. Sie machten sich Notizen über die Qualität des Kaffees oder über „grässlich dicke Tortenböden“, suchten die Stadt nach immer neuen Konditoreien ab und diskutierten heiß darüber, welche Plätze sich für das Buch eignen. „Unsere Arbeitstreffen waren nie Schufterei“, sagt Arthur-Iren Martini. Eher so etwas wie eine Flucht aus dem schnoddrigen Berliner Alltag. Erscheinen sollte das Buch eigentlich schon im vorigen Jahr. Doch wegen Corona bangte der Verlag um seine Existenz. „Nun aber dürfen wir es verspätet endlich in den Händen halten“, sagt Henning Kreitel. Eine Fortsetzung der Kuchenoasen haben Bremer und Martini nicht im Sinn. „Dafür artete unser Projekt am Ende dann doch zu sehr aus.“
Die „Kuchenoasen“ sind mit einer Erstauflage von 2000 Exemplaren im Mitteldeutschen Verlag erschienen. Das Buch hat 143 bebilderte Seiten und kostet 14 Euro.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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