Chancen schaffen
Der Kreuzberger Verein Querstadtein gewinnt den Deutschen Engagementpreis 2019
Grroße Freude in der Lenaustraße 4. In der ruhigen Neuköllner Straße hat der Verein Querstadtein seinen Sitz. Querstadtein ist mit dem diesjährigen Deutschen Engagementpreis ausgezeichnet worden.
Insgesamt sieben Preisträger gibt es. Sie können sich über Preisgelder in Höhe von insgesamt 45 000 Euro freuen. Sie kommen aus Bayern, Hamburg, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und eben Berlin. 617 herausragend engagierte Personen und Initiativen waren von 210 Preisausrichtern nominiert worden.
Am 5. Dezember war im Deutschen Theater die feierliche Verleihung der Preise im Beisein von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und vielen weiteren prominenten Gästen. Querstadtein erhielt die Auszeichnung in der Kategorie „Chancen schaffen“.
Der Deutsche Engagementpreis ist der Dachpreis für bürgerschaftliches Engagement in Deutschland. Initiiert und seit 2009 ausgelobt wird er vom Bündnis für Gemeinnützigkeit, einem Zusammenschluss großer Verbände der Zivilgesellschaft. Förderer sind das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Deutsche Fernsehlotterie und die Deutsche Bahn Stiftung.
„Er würdigt das freiwillige Engagement von Menschen in unserem Land und all jene, die dieses Engagement durch die Verleihung von Preisen unterstützen“, erläutert Markus Winkler, Sprecher des Bündnisses. „Ziel ist es, die Anerkennungskultur in Deutschland zu stärken und mehr Menschen für freiwilliges Engagement zu begeistern“, sagt Winkler.
Querstadtein, das klingt zunächst nach fröhlicher Schnitzeljagd. Mit Erkunden hat es zwar zu tun. Aber es hat einen ernsten Hintergrund. Der Verein Querstadtein hat das Projekt „Obdachlose zeigen Schülern ihr Berlin“ aufgelegt und ist dafür ausgezeichnet worden. Das Projekt wird von der Stiftung Berliner Sparkasse gefördert.
Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen gewesen sind, berichteten als Stadtführer von ihren Erfahrungen. Sie berichteten aus erster Hand vom Leben auf der Straße und von ihren ganz privaten Schicksalen, erläutert Markus Winkler die Juryentscheidung für Querstadtein.
„Auf den Touren erfahren die Jugendlichen nicht nur viel über Wohnungs- und Obdachlosigkeit in der Hauptstadt. Sie tauschen sich mit Menschen aus, denen sie sonst vielleicht mit Vorbehalten begegnen oder ausweichen. Die Mitwirkenden des Projekts werden für ihren Lebensmut und die beispielhafte Fähigkeit gewürdigt, mit einfachen Mitteln jungen Menschen einladend ein schwieriges Anliegen nahezubringen”, so Markus Winkler.
Es handelt sich nicht um um klassische Touren für Touristen zu Sehenswürdigkeiten der Stadt. Es ist ein Angebot der politischen Bildung. Es ist Aufklärungsarbeit.
Querstadtein, so berichtet Projektkoordinatorin Dominika Szyszko, wurde 2013 von Katharina Kühn und Sally Ollech noch unter dem Vereinsnamen „Stadtsichten” gegründet. Kooperationspartner sind die Berliner Stadtmission und die Obdachlosenzeitung „Straßenfeger”. In den ersten rund 18 Monaten hat ein ehrenamtliches Team den Verein aufgebaut. Inzwischen ist daraus ein kleines Sozialunternehmen mit vier Festangestellten und 15 Stadtführern geworden. Seit 2016 werden zudem Stadtführungen zum Thema Flucht und Migration angeboten.
In den vergangenen beiden Jahren haben rund 1600 Berliner Schüler an den Rundgängen teilgenommen. In diesem Jahr konnte der Verein 50 kostenlose Touren für Schulklassen anbieten. Führungen für Erwachsene gibt es auch. „Wir organisieren Touren für feste Gruppen, zum Beispiel Freiwilligendienste, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen, und bieten außerdem sonntags offene Touren für Einzelpersonen an”, erklärt Dominika Szyszko.
Im kommenden Jahr will der Verein Querstadtein weitere Stadtführer zu den Themen „Leben auf der Straße” und „Flucht und Migrationsgeschichten” gewinnen. Geplant ist zudem ein Audiowalk, der auf das Smartphone heruntergeladen werden kann. Der Audioguide beinhaltet Berichte Obdachloser, wo sie schlafen, wie sie ihr Geld verdienen, wo sie Unterstützung finden.
Zunehmende Obdachlosigkeit, so Dominika Szyszko, sei Ausdruck einer wachsenden Zahl von armen Menschen. „Auch wenn es immer individuelle Gründe gibt, warum ein Mensch seine Wohnung verliert, tragen die steigenden Mieten und der gravierende Wohnraummangel in Berlin massiv dazu bei, dass sich das Problem verschärft. Darüber hinaus wächst die Zahl der Menschen aus anderen europäischen Ländern, die hier keinen Zugang zum Sozialsystem haben und damit kaum Hilfe bekommen”, sagt Szyszko.
Mehr Informationen zum Verein Querstadtein sind auf https://querstadtein.org.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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