Wohnungssuche im Schaufenster
Joana V. macht auf prekäre Marktsituation im Wrangelkiez aufmerksam
Ungewöhnliche Wohnungssuche: Eine junge Kreuzbergerin sitzt in einem Schaufenster im Wrangelkiez, um auf die Wohnkrise aufmerksam zu machen.
Es ist der neunte Tag, an dem Joana V. im Schaufenster der Falckensteinstraße 37 sitzt. Acht Stunden täglich. Pause macht sie nur, um sich die Beine zu vertreten. „Es ist ganz schön anstrengend“, sagt die junge Frau. „Ich habe ja auch noch ein Leben.“ Aber sie will durchhalten. Wie lange, weiß Joana nicht. Bis sie eine neue Wohnung hat oder aus der Galerie Heba im Atelier des befreundeten Künstlers Hermann Solowe raus muss.
Dort hat sich Joana V., die ihren Zunamen nicht nennen will, häuslich eingerichtet. Ein Sessel steht in der Schaufensterauslage, daneben ein kleiner Tisch mit Lesestoff zum Zeitvertreib. Selbstgemalte Plakate umringen sie. „Nicht euer Casino“, „Keine Verdrängung – Stadt für alle!“ und „Suche Wohnung“ ist darauf zu lesen. Joana ist quasi eine lebendige Suchanzeige. Wohnungsangebote können ihr direkt im Schaufenster vermittelt werden. Bisher war nichts Passendes dabei, sagt die 35-Jährige.
Mit der ungewöhnliche Performance will die Kreuzbergerin auf ihre verzweifelte Suche nach einer bezahlbaren Wohnung aufmerksam machen. Sie lebt seit Jahren im Wrangelkiez zur Untermiete und war grundlos gekündigt worden. „Die Idee zu dieser Aktion kam sehr spontan“, sagt Joana, die sich auf diesem Weg mit möglichst vielen Kieznachbarn vernetzen will. Je mehr sie kennt, desto größer sei ihre Chance, eine Wohnung zu finden. Vorhin zum Beispiel, da kam ein Nachbar rum. Joana soll bei einer Genossenschaft vorbeikommen, die haben vielleicht eine Wohnung. Im Wrangelkiez würde die junge Frau gern bleiben. Aber alles, was sie auf den üblichen Anbieterforen bisher im Kiez gefunden hat, sei viel zu teuer, unverschämt teuer. 2100 Euro Kaltmiete für eine 50 Quadratmeter große Zweiraumwohnung in der Köpenicker Straße. „Wer soll das bezahlen?“. Oder das möblierte Zimmer, nur sechs Quadratmeter groß, für das der Privatvermieter knapp 600 Euro verlangt – im Monat. Sie selbst hat gar keine utopischen Ansprüche, ein bis zwei Zimmer würden Joana reichen. Aber die sind im Wrangelkiez unter 1000 Euro kaum zu kriegen. Hinzu kommt, sie ist nicht die einzige, die nach einer Kündigung händeringend eine neue Wohnung sucht. So habe ihr ein junger Mann erzählt, er müsse jetzt erstmal bei Freunden unterkommen. Und eine Frau, die aus ihrem möblierten Zimmer raus musste, wohnt jetzt wieder bei ihren Eltern. Joana schüttelt den Kopf. „Für all diese Leute mache ich diese Aktion.“
Im Kiez und darüber hinaus hat sie damit jedenfalls viel Aufmerksamkeit erregt. Die Initiative Bizim Kiez machte auf ihren Fall aufmerksam, in den sozialen Medien wird über sie berichtet und täglich schauen Nachbarn bei Joana vorbei. Gerade ruft eine ältere Frau durch die offene Tür. „Na, du sitzt ja immer noch, haste was?“ Joana lächelt und erzählt ihr von dem Tipp mit der Genossenschaft. „Da werde ich mich melden.“
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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