Musik rettete ihr Leben: Jüdisches Museum verleiht Toleranzpreis
Kreuzberg. Zum 15. Mal vergab das Jüdische Museum am 12. November den Preis für Verständigung und Toleranz.
Ausgezeichnet wurden in diesem Jahr der Unternehmer und Mäzen Hasso Plattner sowie die beiden Schwestern Renate Lasker Harpprecht und Anita Lasker Wallfisch.
Die heute 92 und 91 Jahre alten Frauen entgingen dem Tod im Vernichtungslager Auschwitz nur deshalb, weil Anita als hervorragende Cellistin Mitglied des Lagerorchesters wurde. "Die Musik hat uns mehr als einmal das Leben gerettet", sagte sie bei der Preisverleihung.
Im Oktober 1944 kamen die Schwestern nach Bergen-Belsen, wo sie sechs Monate später von britischen Truppen befreit wurden. Anita Lasker Wallfisch ging danach nach London und wurde dort Mitbegründerin des British Chamber Orchestra.
Fast 50 Jahre hatte sie es abgelehnt, Deutschland wieder zu betreten und an Reisen des Orchesters dorthin teilzunehmen. Diesen Schwur brach sie erst, als in den 1990er-Jahren Konzerte in Soltau und Celle, zwei Städte in der Nähe von Bergen-Belsen, auf dem Programm standen.
Renate Lasker Harpprecht arbeitete nach Kriegsende zunächst als Dolmetscherin für die britische Armee, dann als Journalistin für die BBC, den Westdeutschen Rundfunk sowie für das ZDF in den USA. 1972 erschien ihr Roman "Familienspiele". Sie war verheiratet mit dem Publizisten und Schriftsteller Klaus Harpprecht, der im September gestorben ist.
Anders als bei ihrer Schwester gab es bei Renate Lasker Harpprecht schon sehr früh eine Wiederannäherung an Deutschland. "Ich habe mir bald nach meiner Befreiung vorgenommen, dass ich mir den Rest meines Lebens nicht von Hitler diktieren lasse."
Die Laudatio für die beiden Frauen hielt der Dirigent und Pianist Daniel Barenboim.
Hasso Plattner wurde wurde von dem Physiker und ehemaligem SAP-Vorstand Henning Kagermann gewürdigt. Der 1944 in Berlin geborene Plattner war einer der Mitbegründer dieses Softwareunternehmens. Mit seiner Stiftung fördert er heute Innovationen im Bereich der Wirtschaft und Wissenschaft sowie soziale und kulturelle Projekte. Ein Beispiel dafür ist das Hasso-Plattner-Institut für Systemtechnik an der Universität Potsdam.
Seine Dankesrede wurde zu einem eindringlichen Appell, gegen aktuelle politische und gesellschaftliche Tendenzen anzugehen. Die in Bezug auf die Nazizeit oft gestellte Frage "Was hättest du getan?" stelle sich heute wieder, meinte er mit ziemlich deutlichen Verweisen auf Populismus und Hetze, nicht nur im Netz und nicht nur in den USA. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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