Lesen, wo der Dichter einst lebte
Theodor Fontane und seine Wohnungen in Kreuzberg
Timur Husein war begeistert. "Einer der berühmtesten deutschen Dichter wohnte einst dort, wo jetzt die größte städtische Bibliothek des Landes entstehen soll."
Der CDU-Fraktionsvorsitzende in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) meinte Theodor Fontane und seine einstige Adresse Tempelhofer Straße 51. Diese Anschrift befand sich am heutigen Blücherplatz. Dort steht seit 1954 die Amerika-Gedenkbibliothek. Rund um dieses Gebäude ist der An- und Neubau der künftigen Berliner Zentral- und Landesbibliothek geplant. Timur Husein stellte den Antrag, an diesem Ort mit einer Gedenktafel an Theodor Fontane und seinen Bezug zu Kreuzberg zu erinnern. Er wurde einstimmig im Kulturausschuss angenommen.
Theodor Fontane wäre am 30. Dezember 200 Jahre alt geworden. Der Geburtstag bildet den Höhepunkt und Abschluss des Fontane-Jahres. Aus diesem Anlass hat es zahlreiche Veranstaltungen gegeben. Auch in Kreuzberg, das in seiner Biografie eine wichtige Rolle spielte.
Er hat hier, wenn auch mit Unterbrechungen, über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren gelebt. An verschiedenen Anschriften. Timur Husein hatte zunächst das Anliegen vorgebracht, an allen Gedenkzeichen anzubringen. Das soll jetzt geprüft werden.
Fontanes Wohnstätten sind nicht nur am Blücherplatz längst verschwunden. Mit einer Ausnahme, dem Bethanien-Nebengebäude am Mariannenplatz 2. Im damaligen Krankenhaus wirkte er 1848/49 in seinem erlernten Beruf als Apotheker. Danach kam es im Oktober 1850 zur mehrfach aufgeschobenen Heirat mit Emilie Rouanet-Kummer. Das Paar zog in eine "große, noble Wohnung", so Biografin Regina Dieterle, in der Puttkamerstraße 6. Vier Zimmer in einem Neubau, Jahresmiete 400 Taler. Die Puttkamerstraße war erst 1845 angelegt und nach dem ehemaligen Polizeipräsidenten Eugen von Puttkamer (1800-1874) benannt worden.
Kurzer Weg zur Arbeit
Die Wohnung erwies sich als zu groß und zu nobel. Bereits 1851 folgte der Umzug in die Luisenstraße 50 im heutigen Bezirk Mitte. Sie blieb zunächst auch Wohnsitz, als Fontane zu einem mehrjährigen Aufenthalt nach London aufbrach, wohin ihm die Familie später folgte. Deshalb brauchte es nach der Rückkehr 1859 eine neue Bleibe. Die fand sich zunächst in der Potsdamer Straße 33, wenige Monate später an der Tempelhofer Straße. Der Einzug dort fiel in etwa zusammen mit Fontanes Eintritt in die Redaktion der erzkonservativen "Kreuzzeitung". Die hatte ihren Sitz in der Dessauer Straße 5. Noch kürzer war der Weg dorthin, als die Familie im Herbst 1863 in die damalige Hirschelstraße 14 zog; heute die Stresemannstraße 109, das Eckhaus zur Dessauer Straße.
In der Tempelhofer Straße wurde den Fontanes 1862 gekündigt. Der Eigentümer schien zum einen kein großer Kinderfreund gewesen zu sein. Zum anderen sah er die Chance, die Wohnung teurer zu vermieten, nachdem das Gebiet der Tempelhofer Vorstadt nach Berlin eingemeindet worden war.
Die Familie fand zunächst eine Unterkunft in der Alten Jakobstraße 171. Eine Parterrewohnung, neu errichtet und damit noch nicht trocken gewohnt. Obwohl er nur kurze Zeit dort wohnte, kommt die Alte Jakobstraße in einigen Romanen Fontanes vor. Sie war als einjähriges Provisorium befristet, ehe im Herbst 1863 die Hirschelstraße 14 neun Jahre das neue Zuhause wurde.
In der Hirschelstraße, seit 1831 benannt nach dem Grundbesitzer Hirschel, scheint es zum ersten Mal genügend Platz und einen gewissen Komfort gegeben zu haben. Sogar fließendes Wasser war für das Fünf-Zimmer-Appartement in Aussicht gestellt worden. Theodor Fontane hatte ein eigenes Arbeitszimmer.
Berlin verändert sich
Die Jahre dort forcierten seinen Weg zum Schriftsteller. Sie veränderten aber auch Berlin. Abzulesen war das bereits an der Namensänderung der Hirschelstraße ab 1867. Sie hieß jetzt Königgrätzer Straße, zur Erinnerung an die Schlacht der Preußen bei Königgrätz im Krieg gegen die Österreicher ein Jahr zuvor. Einer von drei siegreichen sogenannten "Einigungskriegen", die zwischen 1864 und 1870/71 zur Gründung des Deutschen Kaiserreiches führten. Auch die Königgrätzer Straße fand Niederschlag in Fontanes Werk, vor allem als Wohnort von Effi Briest, Titelfigur seines vielleicht bekanntesten Buchs.
Die Königgrätzer wurde später die Stresemannstraße, ein Teil zur Ebertstraße. Während der Nazizeit hieß sie über weite Strecken Saarlandstraße, was nach Kriegsende wieder rückgängig gemacht wurde.
Der Reichsgründung folgte ein Gründerboom und wenige Jahre später ein Gründerkrach. Gerade auf dem Wohnungsmarkt wurde wild spekuliert. Das Eckhaus war zu überhöhtem Preis verkauft worden, weshalb die Mieten wohl mindestens verdoppelt wurden. Deshalb mussten "wir alle ziehn", schrieb Theodor Fontane in einem Brief.
Durch Beziehungen fand sich 1872 eine Wohnung in der Potsdamer Straße 134c. Dort lebte der Dichter bis zu seinem Tod 26 Jahre später. An dieser Stelle, heute ebenfalls in Mitte, gibt es eine Gedenktafel. So wie künftig an der Bibliothek.
Promenade für Fontane
Im öffentlichen Raum erinnert in Kreuzberg auch die Fontanepromenade an den Dichter. Die breite und großzügig angelegte Verbindung zwischen der Urban- und Blücherstraße, beziehungsweise dem heutigen Südstern wurde Ende des 19. Jahrhunderts angelegt und hatte zunächst die Bezeichnung „Straße 13“. Am 30. April 1899 entschied die Berliner Verwaltung, sie nach Theodor Fontane zu benennen. Das passierte nur gut sieben Monate nach dessen Tod am 20. September 1898.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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