„Nullachtfünfzehn-Prosa finden wir öde“
Victoria Hohmann-Vierheller und ihr Verlag
Die Verlagswelt der Hauptstadt ist so bunt wie die Berliner. In Kreuzberg zum Beispiel gibt Victoria Hohmann-Vierheller Kurztexte und Erzählungen neuer Autoren heraus. Die Berlinerin schreibt aber auch selbst bemerkenswerte Bücher.
Auf das Großereignis hatte sich Victoria Hohmann-Vierheller schon gefreut. Doch, Pusteblume: Die Leipziger Buchmesse ist zum dritten Mal abgesagt, was die Kreuzbergerin bedauert. Stellt die Messe doch gerade auch solche Literatur ins Schaufenster, die nicht auf der Bestsellerliste steht. Bücher wie „Die milchfarbene Haut der Türen“, „Grand Mal“ oder literarische Texte wie „Zerschlagen“. Allesamt geschrieben von einer jungen Garde von Autoren.
Unbekannten, aber talentierten Autoren
eine Plattform bieten
Victoria Hohmann-Vierheller bringt sie unter dem Motto „Bemerkenswerte Bücher“ in ihrem VHV-Buchverlag heraus. „Um unbekannten, aber talentierten Autoren eine Plattform zu geben“, sagt die Kreuzbergerin. 30 Autoren veröffentlicht sie inzwischen, die meisten stammen wie sie aus Berlin, andere leben in Bochum oder Bonn. Was sie schreiben, sind anspruchsvolle Kurztexte, Erzählungen und Kurzgeschichten, die sich drängender Gegenwartsthemen annehmen. „Nullachtfünfzehn-Prosa finden wir öde“, sagt Hohmann-Vierheller. „Wir suchen Poeten, keine Hobbyautoren, sondern Schreibende, die etwas zu sagen haben.“ Wie Maik Gerecke, der in seiner „Feßmann-Novelle“ das ewig Gestrige mit dem Heute konfrontiert. Oder die Anthologie „*Innen“ mit Geschichten, die das Frausein fern von Etiketten und veralteten Rollenbildern beschreiben.
Ihren Verlag für diese eigenwilligen Stimmen hat die Kreuzbergerin, die im Bergmannkiez wohnt, 2017 gegründet. Zunächst, um ihre eigenen Bücher zu veröffentlichen. Hohmann-Vierhellers Erzählband „Von Verwandlungen“ war die erste Publikation. „Mit dem Verlag habe ich mir den Traum vom Schreiben erfüllt“, sagt sie. Zwar gebe es in Berlin viele Verlage, „aber immer noch nicht genug für lyrische Texte“.
Unterm Strich eine schwarze Null
Victoria Hohmann-Vierheller kommt selbst aus der darstellenden Kunst, hat Kunstgeschichte und Literaturwissenschaften studiert. Weil man vom Schreiben nur schwer leben kann, arbeitet die Verlegerin noch als bildende Künstlerin, macht visuelle Poesie und Plakatkunst. Mit im Verlag engagiert sich ihr Ehemann. Der Mediendesigner übernimmt die Buchcover und den Satz, sie lektoriert die Autorentexte und schreibt die Klappentexte. Gedruckt werden die Bücher in Polen. Die Honorare für die Autoren sind zwar noch bescheiden und auch für die Verlegerin fällt nicht viel ab. Unterm Strich steht für den jungen Kreuzberger „VHV-Literatur & Kultur Verlag“ mittlerweile aber immerhin eine schwarze Null. Hohmann-Vierheller: „Alles was reinkommt, fließt zurück in den Verlag.“
Eigener Onlineshop
Zu bekommen sind die Bücher im Online-Verlagsshop und in Buchläden. Um durch die lesebühnenarme Pandemie-Zeit zu kommen, hat Victoria Hohmann-Vierheller eine Literaturmediathek für Kurztexte auf der Homepage eingerichtet. Die eDition mit kostenpflichtigen Hörproben oder kompletten Lesevergnügen gibt es seit dem letzten Jahr. Der Vertrieb läuft extra nicht über große Online-Plattformen, damit die Autoren für ihre Arbeit angemessen honoriert werden.
Neun Bücher hat der Kreuzberger Verlag bisher herausgegeben, fünf von anderen Autoren und vier von Victoria Hohmann-Vierheller. Im März erscheinen mit „Der Frau“ ihre nächsten Texte. Die letzte Veröffentlichung stammt von Daniel Breuer. In „Grand Mal“ erzählt er die Geschichte einer Freundschaft im Chile der 1990er- bis 2020er-Jahre. Der Deutsch-Chilene bekam im Erscheinungsjahr seines Buches ein Arbeitsstipendium von der Senatskulturverwaltung. Darauf ist Victoria Hohmann-Vierheller besonders stolz. Die Bücher ihrer Autoren sind eben bemerkenswert.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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